Suchalgorithmen, Wahrheit und Moral
Ausgerechnet eine antisemitische Seite erreichte bei Google den Spitzenplatz bei der Suche nach dem Begriff "Jew". Das hat zu einem Kampf um die Google-Ergebnisse gefĂĽhrt.
Über 1,4 Millionen Treffer verzeichnet die Suchmaschine Google bei der Suche nach dem Wort "Jew", dem englischen Wort für "Jude". Dass ausgerechnet eine antisemitische Seite den Spitzenplatz erreichte, hat zu einem Wettstreit um die Änderung der Google-Ergebnisse geführt. Während die eine Fraktion den Google-Suchalgorithmus überlisten will, fordern andere den Ausschluss der Seite aus dem Index der Suchmaschine. Im März hatte Steven Weinstock aus New York bemerkt, dass "Jew Watch" bei Google den Spitzenplatz erobert hatte. Die US-amerikanische Seite gibt sich als neutrales Linkverzeichnis aus, das über das Judentum aufklären will. Sie ist allerdings gefüllt mit Links zu revisionistischen und rechtsradikalen Seiten. Es ist von "jüdischen Weltverschwörungen" und "zionistisch unterwanderten Regierungen" zu lesen, zu denen nach Überzeugung der Autoren übrigens auch die deutsche Regierung gehört.
Auf Weinstocks Beschwerde wollte Google keine Initiative ergreifen und das Ranking ändern: Die Suchalgorithmen könnten Aspekte wie Wahrheit oder Moral nicht einbeziehen. Daraufhin hat Daniel Sieradsk in dem Blog Jewschool dazu aufgerufen, "Jew Watch" durch ein gezieltes Google-Bombing von der Top-Position zu vertreiben. Er forderte die Netzgemeinde dazu auf, das Wort "Jew" mit dem entsprechenden Wikipedia-Eintrag zu verlinken, damit die Suchalgorithmen von Google diese Webseite als besonders relevant ansehen und diese entsprechend höher einstufen.
Solche Aufrufe sind nicht neu. So hatte gezieltes Google-Bombing dazu geführt, dass die Google-Suche nach dem Ausdruck "miserable failure" ("erbärmlicher Versager") zur offiziellen Biografie des US-Präsidenten George W. Bush führte. Auch die Aktion von Sieradsk hatte Erfolg: Der Wikipedia-Eintrag, der vorher noch überhaupt nicht von Google erfasst war, wanderte in der Ergebnislisten immer weiter nach oben und ist schließlich auf Platz 1 gelandet.
Allerdings ist auf Platz zwei der englischen Google-Suche immer noch die antisemitische Seite zu finden. Weinstock hat eine Petition aufgesetzt, die Google auffordert, "Jew Watch" komplett aus dem Google-Index zu verbannen. Nach Angaben des Initiators wird Google diese Forderung erfüllen, wenn 50.000 Unterschriften zusammenkommen. Bisher hat die Petition knapp 5000 Einträge. Ein Google-Sprecher dementierte, dass "Jew Watch" ausgeschlossen werden soll -- egal wie viele Stimmen Weinstock sammele.
In Deutschland stellt sich die Situation anders dar: Im deutschen Google-Index fehlt die Seite "Jew Watch" komplett. Zudem liegen beide Nameserver der Seite unter der Domain stormfront.org, die als rechtsradikale Site von den SperrungsverfĂĽgungen in Nordrhein-Westfalen betroffen ist. (Torsten Kleinz) / (anw)