Suche nach einem Atommüll-Endlager beginnt von vorn

Gorleben war bisher. Jetzt geht die Politik bei der Suche nach einem Atommüll-Endlager wieder von einer weißen Landkarte aus. Damit werde das letzte strittige Thema des Atomzeitalters einvernehmlich geregelt, meint Umweltminister Peter Altmeier.

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Von
  • dpa

Gorleben-Stein auf dem Weißekreuzplatz in Hannover

(Bild: Axel Hindemith )

Nach jahrzehntelangem Streit um Gorleben starten Bund und Länder die Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll völlig neu. Umweltminister Peter Altmaier (CDU) sprach nach einem Bund-Länder-Spitzentreffen am Dienstag in Berlin von der Chance, die letzten strittigen Punkte der friedlichen Nutzung der Atomkraft in einem parteiübergreifenden Konsens zu lösen. "Damit wird das letzte strittige Thema des Atomzeitalters einvernehmlich geregelt."

Die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle soll transparent, ergebnisoffen und unter Einbeziehung der Bürger verlaufen – darin waren sich alle beteiligten Parteien einig. Bis Anfang Mai soll ein entsprechendes Endlagersuchgesetz im Bundestag eingebracht werden. Als erster Schritt soll eine 24-köpfige Bund-Länder-Kommission ins Leben gerufen werden. Bund und Länder stellen zwölf Mitglieder, die Zivilgesellschaft – Gewerkschaften, Umweltverbände, Wirtschaft, Kirchen oder Wissenschaft – weitere zwölf Vertreter.

In das oberirdische Zwischenlager Gorleben sollen ab sofort keine Castor-Transporte mit radioaktivem Abfall mehr rollen. In den nächsten Wochen wollen Bund und Länder festlegen, in welche Zwischenlager die restlichen Atommülltransporte stattdessen gehen sollen. Ein Teil der noch 26 Behälter in der Wiederaufarbeitung im Ausland könnte ab 2015 in die Lager an den Atomkraftwerken Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) und Philippsburg (Baden-Württemberg) gebracht werden. Die Zwischenlager sind für 40 Jahre genehmigt, so dass eigentlich bis 2040 ein Endlager gebaut und einlagerungsbereit sein müsste.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) betonte, es werde sich um einen "wissensbasierten Prozess" handeln. Die Sicherheit sei nun "das einzige Kriterium und nicht die Himmelsrichtung". Sein niedersächsischer Amtskollege Stephan Weil (SPD) versicherte, sein Bundesland werde den Konsens mitvertreten. Niedersachsen ist mit dem künftigen Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, Schacht Konrad in Salzgitter, und den Erfahrungen mit dem maroden Atommüll-Lager Asse sowie mit dem Streit um Gorleben besonders von der Atommüllproblematik betroffen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel betonte: "Das ist eine historische Entscheidung, weil wir wirklich dazu kommen, endlich aus der Sackgasse Gorleben rauszukommen." Es würden eine politischen Vorfestlegungen gemacht, sondern es werde nach den besten Sicherheitskriterien gesucht. Damit werde auch der "fürchterliche Weg" mit dem Atommüll ins Ausland verhindert.

Der niedersächsische Salzstock wird in die weitere Suche für einen Endlager-Standort eingeschlossen. Atomkraftgegner forderten dagegen ein sofortiges Aus für Gorleben. In Berlin demonstrierten etwa 100 Menschen vor der niedersächsischen Landesvertretung, dem Tagungsort.

Das Gesetz könnte bis 5. Juli von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden. Damit könnten in den nächsten 15 Jahren bundesweit mehrere Alternativen geprüft werden. Bis 2031 soll das Endlager gefunden sein. Altmaier rechnet mit Kosten von rund 2 Milliarden Euro, die die Atomkonzerne tragen sollen. Sie haben bereits 1,6 Milliarden in die Erkundung Gorlebens gesteckt, für dessen Untauglichkeit sie keine klaren Belege sehen. Internationaler Konsens ist eine Lagerung in mehreren hundert Metern Tiefe – in Salz-, Ton- oder Granitgestein.

Über die zu prüfenden Standorte und die Endauswahl sollen jeweils Bundestag und Bundesrat entscheiden – die vorgeschaltete Kommission kann nur Empfehlungen aussprechen, an die beide Häuser aber letztlich nicht gebunden sein sollen. Als Vorsitzender der Kommission wurde unter anderem der frühere Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) ins Spiel gebracht. (jk)