TETRA World Congress 2011: "Video ist die neue Sprache"

Der diesjährige TWC beschäftigte sich vor allem mit der Frage, was nach dem Terrestrial Trunked Radio kommt, der für die Sprachkommunikation der Behörden mit Sicherheitsaufgaben gedacht ist.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 5 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Der diesjährige TETRA World Congress (TWC) in Budapest beschäftigte sich vor allem mit der Frage, was nach TETRA kommt. Die Antwort: Überall dort, wo Sicherheitskräfte auf Videokommunikation angewiesen sind, wird voraussichtlich LTE, gelegentlich auch WiMax, eingesetzt. Auf dem Kongress ging es auch darum, wo im Frequenzspektrum ein Platz für dieses "Sicherheits-LTE" ist.

Auf TETRA (Terrestrial Trunked Radio), einem ETSI-Standard für die Sprachkommunikation der Behörden mit Sicherheitsaufgaben, beruht das Digitalfunknetz, das unter Aufsicht der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben derzeit in Deutschland entsteht. Als TETRA 1990 zum Standard wurde, stand die Sprachkommunikation im Vordergrund. Eine 2005 standardisierte Erweiterung namens TEDS oder TETRA 2 erwies sich als ausreichend für eine Datenbestandsabfrage. Sie reicht aber nicht für die Bildkommunikation: Für die Übertragung von zwei Fahndungsbildern mit guter Auflösung (5 MB) benötigt TETRA 2 rund 7 Minuten.

Long Term Evolution (LTE) soll Abhilfe schaffen, eine Datenübertragung per Funk, die eigentlich nicht besonders für die Sprachübertragung geeignet ist. Fahnungsbilder sind nach 3 Sekunden versendet (zum Vergleich: UMTS 3 Minuten, HSDPA 38 Sekunden). Diese 3 Sekunden werden von Polizeitaktikern als ausreichend angesehen, um "mission critical Video" auf die Liste der geplanten Funk-Erweiterungen für den Behördenfunk zu setzen. So, wie sich Einsatzkräfte via Push to talk verständigten, soll "Push to Video" Videosequenzen vom Einsatzort in die Einsatzzentrale oder zu entsprechend leistungsfähigen Smartphones des Einsatzteams schicken.

"Video ist die neue Sprache", erklärte Thales-Vizepräsident Jean-Michel Lagarde zur Vorstellung von EveryTalk in Budapest. EveryTalk ist ein von Thales und Samsung produzierten Allwetter-Smartphone für WLAN, WiMAX und LTE-Funknetze. Das Tippen und "Wischen" der Apps auf dem Android-System in der abschließenden Demonstration des neuen Gerätes war elegant, weckte aber Zweifel, ob Einsatzkräfte im Extremfall auch so arbeiten werden. Alles eine Frage des Trainings, außerdem seien heute aktive Feuerwehrleute mit Smartphones groß geworden, so die Antwort.

Die Großen der Sicherheitsfunkbranche, die Basisstationen wie auch Endgeräte herstellen, präsentierten in Budapest ihre neuen, teilweise nur angedachten TETRA-LTE-Produkte jeweils im Tandem mit einem Netzausrüster: Thales arbeitet mit Cisco zusammen, Motorola mit Ericsson und Cassidian (ehemals EADS) mit Alcatel-Lucent. Auch kleinere Firmen sind dabei, LTE zu integrieren: zum Beispiel der Münchner Hersteller von Basisstationen Rohde & Schwarz, der sich mit der kalifornischen Firma Synopsis zusammengetan hat. Technisch möglich ist beispielsweise, dass auf LTE-Smartphones ein TETRA-Client installiert wird, über den das LTE-Gerät mit TETRA-Nutzern kommunizieren kann.

Die Euphorie, mit der LTE in Budapest begrüßt wurde, hat viel mit der Digitalen Dividende der frei werdenden Frequenzen im Bereich von 700 bis 3500 MHz zu tun, in denen LTE arbeiten soll. Viel diskutiert wurde darüber, dass in diesem Frequenzspektrum ähnlich einheitlich wie bei TETRA (400 MHz) ein "Blaulicht-LTE" freigehalten wird, auf das zumindest europaweit die Sicherheitsbehörden auf einer Wellenlänge funken. Angesichts knapper Haushalte in vielen Ländern dürfte der Ingenieurstraum, auf TETRA-Funkmasten einfach noch ein LTE-Modul für die Videokommunikation zu installieren, illusorisch sein. Der "kostengünstige" Vorschlag von Giovanni Giodetti, Cheftechniker der italienischen Selex, für bestimmte Gebiete einfach LTE-Strecken von kommerziellen Providern anzumieten und diese im Schadensfall zu priorisieren, erinnerte zumindest deutsche Teilnehmer an das Angebot von Vodafone, ein BOS-GSM zu installieren, in dem die GSM-Telefone der Polizei automatisch "Vorfahrt" vor anderen Netzteilnehmern haben sollten.

Abseits der LTE-Debatte um die künftige Integration von Video in den Alltag von Polizei und Feuerwehr bot der TWC auch für existierende TETRA-Netze Neuigkeiten. Sepura stellte mit dem STP8X seine Variante eines hochsicheren Funkgerätes vor, das in explosionsgefährdeten Umgebung eingesetzt werden darf. Cassidian zeigte das neue THR9+ für rauhe Industrieumgebungen. Motorola stellte mit TRACES (TETRA RF Automated Coverage Evaluation System) eine Software vor, mit der TETRA-Nutzer selbst vor Ort Daten über den Zustand des Netzes erfahren können. Gedacht ist an Einsatzleiter, die wissen wollen, ob Funklöcher den Einsatz behindern.

Motorolas TETRA-Manager Tom Quirke rief dazu auf, die bestehende Technik zu optimieren und nicht nur auf LTE zu schauen. Nach seinen Angaben hat Motorola ein Software-Upgrade für TETRA eingeführt, mit dem bei einer Stromersparnis von 20 Prozent eine Kapazitätssteigerung von 8 Prozent erreicht wurde. Quirke erklärte, dass Apps bald auch die Welt der Sicherheitsbehörden erobern würden. Entsprechend war der Stand von Motorola mit Xoom-Tablets ausgestattet.

Insgesamt machte sich in Budapest das Fehlen der Teilnehmer bemerkbar, die in den vergangenen Jahren den TETRA-Wachstumsmarkt Asien repräsentierten. Der nächste TWC soll 2012 in Dubai stattfinden. (anw)