Taxonomie: Bundeskanzler Scholz kritisiert grünes Label für Atomkraft

Die EU-Kommission habe ihren Vorschlag für ein Nachhaltigkeitslabel für Atomkraft vorgelegt, ohne dass er aufgehalten werden konnte, sagte der Bundeskanzler.

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Das Atomkraftwerk Isar 2 ist eines von drei deutschen Atomkraftwerken, die zum Jahresende 2022 abgeschaltet werden sollen.

(Bild: Preussenelektra)

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Bundeskanzler Olaf Scholz hat das grüne EU-Label für Investitionen für Atomkraft kritisiert. "Ich fand das immer falsch", sagte er am Donnerstag in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". Deutschland habe dagegen gestimmt.

Die EU-Kommission habe ihren Entwurf für eine Taxonomie-Verordnung zum Jahreswechsel 2021/2022 vorgelegt, "ohne dass wir es aufhalten oder irgendetwas festsetzen konnten", sagte Scholz. Deshalb habe Deutschland dafür sorgt, dass die Taxonomie "noch halbwegs zu uns passt". "In Deutschland sind wir uns völlig einig, dass Atomenergie nicht grün ist."

Das Europäische Parlament hatte am Mittwoch keinen Einwand gegen die Taxonomie-Verordnung eingelegt. Die Taxonomie ist als Klassifikationssystem gedacht, das private Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten lenken und so den Kampf gegen den Klimawandel unterstützen soll. Dabei sollen manche Aktivitäten aus dem Bereich Atom- und übergangsweise Erdgasenergie in die Liste der ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten aufgenommen werden. Die EU-Kommission will so grüne Investitionen stärken.

Umweltschützer hatten die EU-Abgeordneten vor der Abstimmung aufgefordert, gegen den neuen Rechtsakt zu stimmen. Sie kritisieren unter anderem, dass Treibhausgase ausgestoßen werden, wenn Energie mit Erdgas erzeugt wird. Bei Atomkraft gelten hauptsächlich der Abfall, aber auch mögliche Unfälle als problematisch. Befürworter verweisen hingegen auf die Notwendigkeit von Übergangstechnologien und darauf, dass für den Betrieb von Gaskraftwerken auch Flüssiggas zum Beispiel aus den USA oder Wasserstoff genutzt werden kann.

Die Entscheidung des EU-Parlaments fand auch im Ausland Widerhall. Die für Standardisierungsfragen zuständige American Society of Mechanical Engineers (ASME) begrüßt die Entscheidung. Die ASME trage mit ihren Standards für kerntechnische Infrastruktur dazu bei, die sichere und zuverlässige Erzeugung kohlenstoffarmer Energie zu gewährleisten. "Wir unterstützen auch die Entwicklung und den Einsatz fortschrittlicher, modularer Reaktortechnologie."

In Südkorea, das sich nun wieder verstärkt der Atomkraft zuwendet, wurden Stimmen laut, die eigenen Klassifizierungen entsprechend denen zu überarbeiten, die demnächst in der EU gelten sollen. Koreanische Marktbeobachter meinen, die europäische Atomindustrie werde nun wiederbelebt, das könne auch Wachstumschancen für Südkorea mit sich bringen, berichtet die Korea Times.

Die Neue Zürcher Zeitung bezeichnet die Taxonomie in einem Kommentar als "bürokratischen Albtraum". Investoren und Banker dürften sich demnächst durch ein dickes Konvolut arbeiten, in dem festgehalten werde, was als nachhaltig gilt und was nicht. Solche Listen seien "Futter für Lobbyisten", die darin auch aufgenommen werden wollten.

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(anw)