Telegram-Gründer in Frankreich festgenommen

Pawel Durow ist eine Größe in der Netzwelt – und wurde in Frankreich von den Strafverfolgungsbehörden gesucht. Mehrere ungeklärte Vorwürfe stehen im Raum.  

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Messenger mit Tastatur dahinter

(Bild: Mehaniq/Shutterstock.com)

Update
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Nico Ernst
  • mit Material der dpa

Der Gründer des Messengerdienstes Telegram, Pawel Durow, ist in Frankreich festgenommen worden. Der in Frankreich gesuchte Russe wurde am Samstagabend nach seiner Ankunft aus Aserbaidschan am Flughafen Le Bourget nahe Paris in Polizeigewahrsam genommen, wie die Sender TF1 und BFMTV sowie andere französische Medien unter Berufung auf Ermittlerkreise berichteten. Die russische Botschaft in Frankreich habe sich des Falls bereits angenommen, hieß es in einer von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zitierten Stellungnahme des Außenministeriums in Moskau.

Nach französischen Medienberichten wurde Durow in Frankreich gesucht, weil die Behörden Vorermittlungen gegen ihn eingeleitet hätten. Es steht der Verdacht im Raum, er habe sich durch fehlendes Eingreifen bei Telegram und unzureichende Kooperation mit den Ordnungskräften des Drogenhandels, Betrugs und Vergehen im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch mitschuldig gemacht. Laut TF1 könnte noch am Sonntag ein Ermittlungsverfahren gegen Durow eingeleitet werden.

Mit Blick auf die Informationen zu Durows Festnahme habe die russische Botschaft in Frankreich sofort Schritte unternommen, die in einer solchen Situation notwendig seien, hieß es in der von Tass verbreiteten Stellungnahme des Außenministeriums. Man sei bemüht, die Situation zu klären, "obwohl die Vertreter des Geschäftsmanns keinen Antrag gestellt haben".

Durow hatte Telegram mit seinem Bruder Nikolai gegründet, nachdem beide bereits das Netzwerk Vk.com ins Leben gerufen hatten, eine Art russischsprachiges Facebook. Telegram ist in Russland eines der wichtigsten Online-Netzwerke, das auch von vielen Behörden und Politikern zur Kommunikation genutzt wird. Von der Ukraine wird der Dienst ebenfalls für Mitteilungen genutzt.

Durows Verhältnis zur russischen Obrigkeit gilt als schwierig. Der Verkauf von Vk.com erfolgte unter Druck. Zuvor hatte er sich geweigert, Daten der Teilnehmer der Protestbewegung in der Ukraine gegen den damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch an den russischen Geheimdienst weiterzugeben. Er selbst floh kurz darauf aus Russland.

Die Durow-Brüder versprechen, die Daten der Nutzerinnen und Nutzer von Telegram zu schützen. Mit den russischen Behörden legte sich der exzentrische Internet-Milliardär deshalb schon vor Jahren an. Aber auch im Westen gibt es Vorwürfe gegen das Brüderpaar. Den Telegram-Machern wird vorgeworfen, nicht konsequent genug gegen Hassrede und Gewaltaufrufe vorzugehen. Bei islamistischer Terrorpropaganda soll es westlichen und russischen Behörden gelungen sein, Telegram zu Löschaktionen zu bewegen.

Update

Der unter anderem auf Rechtsverletzungen in Social Media spezialisierte Würzburger Anwalt Chan-jo Jun hat auf der Plattform X eine erste rechtliche Einschätzung zur Verhaftung von Pawel Durow veröffentlicht. Zwar hält der Jurist die bisher bekannten Vorwürfe für zu allgemein, um sie einzeln zu bewerten. Dennoch habe Durow "seine Lage fatal falsch eingeschätzt", als er nach Frankreich flog. Auf dessen Plattform Telegram würde "jede online begehbare Straftat begangen", nicht nur "Beleidigungen, Verleumdung, Doxing, Nachstellung, Bedrohung". Auch jegliche Art von Pornografie würde verbreitet, sowie Urheberrechtsverletzungen begangen. Allein Missbrauchsabbildungen würden "gelegentlich" entfernt.

Als einzigen Grund, warum Durow noch nicht früher belangt wurde, sieht Jun die bisher fehlende Zugriffsmöglichkeit. Telegram hatte lange seinen Hauptsitz in Dubai. Die Plattform sei dennoch nach europäischem Recht dem Digital Services Act und nach deutschem dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) unterworfen. Mit Deutschland gebe es eine, so der Anwalt, "lächerliche Einigung", seit der man Telegram in Ruhe gelassen habe. Bei dem Vorgehen gegen Durow geht es Jun zufolge um die "unregulierte Verbreitung sämtlicher auch illegaler Inhalte ohne gesetzliche Grenzen". Solch ein Dienst sei weder durch das deutsche Grundgesetz noch durch die US-amerikanische "Freedom of Speech" geschützt.

(nie)