Telekommunikation: Überwachen ist nicht schwer, dafür bezahlen aber sehr

Eine zügige Lösung in der Frage der Entschädigung von Telekommunikationsunternehmen, die von Strafverfolgern zur Überwachung von Kunden herangezogen werden, fordert der Branchenverband Bitkom.

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Von
  • Monika Ermert

Eine zügige Lösung in der Frage der Entschädigung von Telekommunikationsunternehmen, die von Strafverfolgern zur Überwachung von Kunden herangezogen werden, fordert der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom). In einer heute veröffentlichten Erklärung kritisiert der Verband, dass auch zwei Jahre nach der Aufnahme einer Entschädigungsregelung in das Telekommunikationsgesetz (TKG) keine Lösung vorliegt. Nicht nur sei keine aktuelle gesetzgeberische Arbeit an der von allen Fraktionen vereinbarten Verordnung (gemäß § 110 Abs. 9 TKG) festzustellen. "Stattdessen versucht inzwischen der Bundesrat, die Entschädigungsgrundlage insgesamt wieder aufzuheben," empört man sich beim Bitkom.

Der Streit um die Entschädigung der Unternehmen, die zur Überwachung von Festnetz, Mobilfunk und zunehmend auch Internetanschlüssen oder E-Mail verpflichtet werden, zieht sich bereits über mehrere Jahre hin. Eine von der damaligen rot-grünen Bundesregierung im vergangenen Jahr vorbereitete Verordnung fiel nach der vorgezogenen Bundestagswahl unter den Tisch. Der Bundesrat, der noch 2004 die rot-grüne Bundesregierung zu unverzüglichem Handeln aufgefordert hatte, habe nun eine regelrechte Kehrtwendung vollzogen, heißt es beim Bitkom: "Zur Begründung führt er an, die von den Telekommunikationsunternehmen für strafrechtliche Ermittlungen zu erbringenden Leistungen entsprächen 'den Zeugenpflichten jedes Bürgers'. Eine Entschädigung nach allgemeinem Zeugenrecht sei daher angebracht. Zudem entstünden sonst Gleichbehandlungsprobleme gegenüber anderen Branchen wie Banken oder Postdienstleister, die ebenfalls häufig für Auskünfte in Anspruch genommen würden", zitiert der Bitkom die wankelmütigen Bundesratspolitiker.

Als normale Zeugenpflicht können die Auflagen für die Unternehmen nach Ansicht des Bitkom aber keineswegs bezeichnet werden. Die Telekommunikationsunternehmen würden vielmehr zahlreichen Sonderpflichten unterliegen, im TKG, der Telekommunikationsüberwachungsverordnung, der Strafprozessordnung, im Artikel-10-Gesetz und in den Polizeigesetzen der Länder. "Die Unternehmen müssen ihre Dienste und Netztechniken – abweichend von den kommerziellen Erfordernissen – überwachbar gestalten und auf eigene Kosten zusätzliche Auskunftsmöglichkeiten eröffnen", so die Bitkom-Erklärung. Schließlich würden die Unternehmen in zunehmendem Maß auch zur Erklärung und Interpretation von Daten herangezogen. Damit seien sie eher Sachverständige als Zeugen.

Gleichzeitig beklagt der Bitkom steigende Zahlen bei den Überwachungsanfragen und fürchtet eine weitere Zunahme durch die drohende Einführung der von der EU verabschiedeten Vorratsdatenspeicherung und durch neue Mitwirkungspflichten der Unternehmen in den Länderpolizeigesetzen. Als originär staatliche Aufgabe habe der Staat aber für die Überwachungsmaßnahmen auch selbst zu bezahlen, schreibt der Bitkom unter Verweis auf die Verfassung. Es komme auch niemand auf die Idee, es gehöre zu den staatsbürgerlichen Pflichten eines Automobilherstellers, dem Staat Polizeifahrzeuge zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit auf eigene Kosten zur Verfügung zu stellen.

Daher fordert der Verband in einem eigenen Vorschlag zur Entschädigungsregelung nun, eine Regelung zu schaffen, die unabhängig von der jeweiligen gesetzlichen Grundlage greift und auch Überwachung nach Ländergesetzen einschließt. Außerdem soll nach Fallpauschalen abgerechnet werden; die bislang von der öffentlichen Hand im Rahmen des Zeugenentschädigungsgesetzes geforderten minutengenauen Abrechnungen der Arbeitszeit sei bei der Menge der anfallenden Maßnahmen nicht zu bewältigen.

Für die verschiedenen Fallpauschalen hat sich der Bitkom gleich noch eine detaillierte Preisliste einfallen lassen. Diese sieht die Summe von 250 Euro für die Einrichtung, Verlängerung und Umschaltung einer TK-Überwachung vor, und zwar je Kennung. Für die Bereitstellung einer Überwachungskopie sollen 30 Euro pro Tag fällig werden, unabhängig von der Übertragungsart und Datenmenge. Die Abfrage von Bestandsdaten soll mit 25 Euro je Kundendatensatz zu Buche schlagen. Die Übermittlung von einfachen Verkehrsdaten soll 130 Euro für den ersten und 10 Euro für jeden weiteren Tag kosten; für die Zielwahlsuche sollen die Unternehmen 500 Euro pro Zieladresse berechnen können, für die Auswertung einer Funkzelle nach Zeit und Ort 300 Euro für die ersten fünf und 30 Euro für jeweils weitere fünf Minuten. Für Standortdaten schließlich sollen die Ermittler 200 Euro pro Auskunft hinlegen.

Überwachung im großen Stil könnte angesichts dieser Preise teuer werden für die öffentliche Hand. Bei 42.508 Überwachungsanordnungen allein auf der Basis von §§ 100a und 100b StPO würde eine nette Summe zusammenkommen. Kritiker zunehmender Überwachungsmaßnahmen haben immer wieder auf den finanziellen Aspekt als ein mögliches Korrektiv für massive Datensammelei verwiesen. Der Bitkom bietet in seinem Vorschlag immerhin noch einen Rabatt: Wenn die Überwachungsanordnung über eine zentrale Stelle abgewickelt wird, durch deren Spezialisierung der Arbeitsaufwand bei den Unternehmen reduziert werden kann, soll es 5 bis 10 Prozent billiger werden. Und: "Im Falle der zusätzlichen Teilnahme an einem bundesweit standardisierten elektronischen Datenaustauschverfahren bei Auskunftsersuchen wäre ein Nachlass von 15 Prozent denkbar." (Monika Ermert) / (jk)