Time-Warner-Manager haben jetzt bei AOL Time Warner die Macht

Der ehrwürdige Medienriese Time Warner hat sich anscheinend als standfester und erfolgreicher erwiesen als AOL.

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Von
  • Peter Bauer
  • dpa

Als der Online-Dienst America Online auf dem Höhepunkt der Internet-Spekulationsblase den weltgrößten Medienkonzern Time Warner mit Hilfe seiner hochfliegenden Aktien im Januar 2001 für 106 Milliarden US-Dollar (105 Milliarden Euro) schluckte, schien es für den neuen Medien- und Online-Branchenführer AOL Time Warner keine Grenzen mehr zu geben.

Drei Monate später platzte die Internet-Spekulationsblase mit der schlimmsten Technologie-Baisse, die die Wall Street je erlebt hat. Tausende von Internetfirmen und AOL-Anzeigenkunden gingen Pleite. Dann kam die Rezession des Jahres 2001 und ein dramatischer Einbruch des Anzeigenaufkommens in Online-, TV- und Print-Medien. Der AOL-Kundenzuwachs verlangsamte sich, weil andere Breitbandanbieter die Internetdienst-Nutzer anlockten. Der Konzernumsatz stieg nur noch ganz langsam. Die Aktien von AOL Time Warner stürzten um mehr als 70 Prozent auf nur noch 12,45 US-Dollar ab, und die enttäuschten Aktionäre liefen Sturm. Derzeit läuft eine Sammelklage von Aktionären wegen angeblicher Bilanztricksereien.

Die hochfliegenden Gewinnerwartungen des inzwischen ausgeschiedenen AOL-Time-Warner-Konzernchefs Gerald Levine und des amtierenden Verwaltungsratsvorsitzenden und AOL-Gründers Stephen M. Case erwiesen sich als unrealistisch. Die Integration von AOL und der riesigen Time-Verlagsgruppe mit ihren mehr als 140 Titeln sowie der gewaltigen Kabelfernseh-, Filmstudio- und Musik-Sparten von Time Warner erwies sich als fast unmöglich.

Case zog sich als Verwaltungsratsvorsitzender völlig aus dem Tagesgeschäft zurück und überließ dies seinem treuen und während der Internet-Hochkonjunktur enorm erfolgreichen AOL-Chef Robert W. Pittman. Pittman war mit seiner aggressiven Art und seinen hemdsärmeligen Geschäftsmethoden die Personifizierung des Internet-Booms. Er kam jedoch bei den zurückhaltenden und auf Machtstellungen in ihren eigenen Sparten bedachten Time-Warner-Managern nicht gut an.

Vor wenigen Monaten wurde er wieder zu AOL geschickt, um die dortigen unübersehbaren Probleme zu beseitigen und um den weltgrößten Online-Dienst wieder auf Wachstumskurs zu steuern. Pittman wurde aber von den Time-Warner-Insidern und den Aktionären als Sündenbock für die schlecht laufende Ehe von AOL und Time Warner hingestellt. Nun hat er das Handtuch geworfen und scheidet aus.

Richard D. Parsons, der Konzernchef Levin vor wenigen Monaten abgelöst hatte, hat jetzt das Großreinemachen bei AOL Time Warner damit begonnen, dass er die beiden erfolgreichsten Time-Warner-Manager zu Chefs der neu eingerichteten Hauptsparten des Konzerns gemacht hat. Don Logan, der bisherige Time-Verlagschef und Pittman-Kritiker, wird die neue Medien- und Kommunikationsgruppe führen, zu der sich auch AOL gesellt. Die Sparte lebt vom Abonnenten- und Anzeigengeschäft, in dem Logan enorme Erfahrung hat. Jeff Bewkes, der bisherige Chef der Kabelfernsehfirma HBO, wird die neugebildete Unterhaltungs- und Netzwerkgruppe leiten.

Bisher steht noch nicht fest, wer AOL nach Pittman führen wird und wie der Online-Riese mit seinen 34 Millionen zahlenden Online-Kunden wieder auf starken Wachstumskurs gesteuert werden kann. Mit Parsons, Logan und Bewkes stehen jetzt drei alte Time-Warner-Kämpen an der Spitze von AOL Time Warner. Dies zeigt klar, dass sich der ehrwürdige Medienriese als standfester und erfolgreicher erwiesen hat als AOL. Würde es heute zu einem Zusammenschluss kommen, wäre Time Warner sicher der Käufer von AOL und nicht umgekehrt. (Peter Bauer, dpa) / (anw)