Twitch: Einschränkung des Glücksspiels und Änderung an Einnahmen für Streamer
Die Streamingplattform Twitch hat zwei weitreichende Änderungen an einem Tag veröffentlicht. Betroffen sind Glücksspiel und Einnahmen der Streamer.
Die Amazon-Tochter Twitch schränkt künftig das Streaming von Glücksspielen ein. Das Unternehmen erklärte zudem, auch bei der Auszahlung die Verteilung der Beiträge der Streamer anzupassen – einmal mehr zugunsten von Twitch.
Glücksspielverbot mit Lücken
Gambling – das Glücksspiel auf Twitch ist ein seit langem kontrovers diskutiertes Thema. Zum einen ziehen das Spielen in den virtuellen Casinos unzählige Zuschauer an, indes verzocken nicht nur einige "Casino-Streamer" ihr Hab und Gut, sondern auch die meist jungen – oft auch minderjährigen – Zuschauer.
Ab dem 18. Oktober soll auf "Twitch das Streamen von Glücksspielseiten inklusive Slotmaschinen, Roulette oder Würfelspielen, die weder in den USA noch dessen Gerichtsbarkeit einen ausreichenden Verbraucherschutz anbieten", verboten werden. Explizit nennt die Streaming-Plattform stake.com. rollbit.com, duelbits.com und Roobet.com und erklärt, weitere Anbieter in Zukunft zu verbieten. Das schränkt das auf Twitch beliebte Gambling allerdings nicht komplett ein und demzufolge auch nicht die Gefahren für die Zuschauer.
Während die Streamer von den Glücksspiel-Anbietern selbst – teilweise mit Millionenbeträgen – bezahlt werden und mit jedem Referenzcode, den die Zuschauer zur Anmeldung auf den Portalen verwenden, ebenfalls Geld verdienen, zahlt der Rest drauf. Ganz uneigennützig ist Twitch bei dem Vorgehen selbstverständlich nicht: Viele Zuschauer bedeuten viele Abonnements der Streamer, an denen Twitch mitverdient, genau wie an ausgestrahlter Werbung, die vor großem Publikum höhere Gewinne abwirft.
Streamer drohen Twitch mit Streik – zur umsatzstärksten Zeit
Twitch reagiert damit auf Forderungen einiger großer Streamer, die vermutlich auch auf das Bekanntwerden eines Skandals eines reichweitenstarken Casino-Streamers reagierten. Dieser hatte aus seiner Spielsucht heraus Freunde, Fans und Kollegen um 300.000 Euro betrogen. Berichten zufolge drohte etwa Pokimane (9,2 Millionen Follower auf Twitch) damit, zu Weihnachten, in einer der umsatzstärksten Zeiten zu streiken, sollte Twitch das Gambling-Problem nicht angehen.
Die Streamerin Pokimane gehört zu den Top-Ten auf der Plattform und wollte Aussagen zufolge weitere große Streamer zu einer "Sendepause" in der Weihnachtszeit versammeln. Auf Twitter schrieb Pokimane "wir haben es geschafft" und "Öffentlicher Druck, Tweets und Sensibilisierung, alles ist wichtig".
Zu Mikrotransaktionen wie etwa in Fifa von Electronic Arts, die ebenfalls in der Kritik stehen und als Glücksspiel gedeutet werden, äußerte sich Twitch nicht. Am vergangenen Freitag griff auch Jan Böhmermann das Thema in seiner Sendung ZDF Magazin Royal auf. Böhmermanns Sendung war analog einer "Reaction" aufgebaut, in der Influencer auf andere Videos im Internet reagieren, und stark an Montana Black angelehnt, Deutschlands größten Streamer auf Twitch, der mit Fifa-Packs für das Fifa-Ultimate-Team (FUT) in der Vergangenheit auch viel Zuschauer anzog.
"Premium-Bedingungen" werden angepasst
Twitch-Präsident Dan Clancy kündigte außerdem Änderungen bei den Auszahlungen an. Twitch hat vor einiger Zeit die Einstiegshürden zur Monetarisierung von Inhalten gesenkt. Anschließend konnten viele kleine Influencer am Affiliate-Programm teilnehmen und über Werbung Geld verdienen. Die Partnerverträge waren Verhandlungssache und unterlagen bisher größtenteils der Schweigepflicht.
Bisher bekamen Twitch und der jeweilige Streamer jeweils die Hälfte der Nettoeinnahmen. Große Streamer handelten in der Vergangenheit häufig 70 Prozent der Einnahmen zu ihren Gunsten aus, Clancy bezeichnet das als "Premium-Bedingungen". Diese Vereinbarungen sollen jetzt angepasst werden.
50 Prozent ab 100.000 Dollar und mehr Werbung
Zukünftig können Streamer mit Premium-Bedingungen weiterhin 70 Prozent "der Einnahmen für die ersten 100.000 US-Dollar aus Abonnements behalten. Einnahmen, die über 100.000 US-Dollar hinausgehen, unterliegen in Zukunft der Standardaufteilung von 50/50" – erste Berichte darüber gab es bereits im April dieses Jahres. In Kraft treten sollen diese Änderung dem Blog-Beitrag zufolge zum 1. Juni 2023, wirksam werden die Änderungen danach, sobald ein bestehender Vertrag zur Verlängerung ansteht. Begründet wurde dieser Schritt auch mit den Kosten zur Aufrechterhaltung der Dienste im Hintergrund. Demnach kosten 200 Stunden Streaming-Zeit pro Monat bei durchschnittlich 100 gleichzeitigen Zuschauern mehr als 1000 US-Dollar. Die Summen basieren auf den veröffentlichten Tarifen für Interactive Video Service (IVS) vom hauseigenen Amazon Web Services.
Twitch hat zuletzt die Ausspielung von Werbung aggressiv vorangetrieben und beteiligt die Streamer an den Einnahmen. Viele große Influencer sprechen sich aber eher dagegen aus und machen wenig bis gar keinen Gebrauch davon. Die Einnahmen wären zu gering, als dass sie ihre Zuschauer damit behelligen wollten. Clancy meinte, die "kürzliche Anhebung des Anteils an den Werbeeinnahmen auf 55 Prozent im Rahmen des Belohnungsprogramms für Werbung ist eine hervorragende Möglichkeit für große Streamer". Damit könnten sie den größten Teil der wegfallenden Einnahmen ausgleichen oder sogar vollständig kompensieren. Im vergangenen Monat ist zusätzlich die Partner-Exklusivität gefallen, sodass die meisten der Streamer auch auf anderen Portalen aktiv sein dürfen.
"Uns waren im Hinblick auf diese Premium-Vereinbarungen einige Probleme aufgefallen", erklärte Clancy. "Erstens hatten wir nicht transparent gemacht, dass es diese Angebote überhaupt gibt. Zweitens gab es keine einheitlichen Qualifikationskriterien, sodass die Vereinbarungen in der Regel mit größeren Streamern geschlossen wurden." Transparenz, die bei "Gambling" und Mikrotransaktionen noch fehlt.
(bme)