Twitter-Anwalt warnt Mitarbeiter vor Risiko, Musk streicht Homeoffice und Urlaub

Ein Twitter-Jurist beschleunigt seine Kündigung, indem er seine Kollegen vor Fallen warnt. Musk vergrault die Belegschaft mit seinen Führungsmethoden.

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Elon Musk, davor ein Handy, das das Twitter-Logo zeigt

(Bild: Sergei Elagin/Shutterstock)

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Schluss mit Heimarbeit. Sofort. Das befiehlt Elon Musk der noch verbliebenen Twitter-Belegschaft in seiner ersten direkten Mitteilung. Dabei hat das Unternehmen den Mitarbeitern explizit zugesichert, auf Dauer von zu Hause arbeiten zu können – einige sind daraufhin in ländlichere Idyllen umgezogen. Jetzt sollen sie mindestens 40 Stunden pro Woche im Büro absitzen.

Nichtbefolgung entspreche einer Kündigung durch den Mitarbeiter, betont Musk. Einen monatlichen Ruhetag hat er bereits zuvor gestrichen. Und auch nach dem Rausschmiss der halben Twitter-Belegschaft, dem Versuch am Freitag Entlassene schon wieder zurückzuholen, sowie der dringenden Aufgabe, verlorene Werbekunden zurückzuholen, glaubt der neue Chef, dass er noch immer zu viele Mitarbeiter hat.

Die einseitige Vertragsänderung durch Bürozwang sei allerdings illegal, sagt ein Anwalt aus Twitters eigener Rechtsabteilung. "Ich persönlich glaube nicht, dass Twitter-Mitarbeiter eine Verpflichtung haben, ins Büro zurückzukommen. Ganz sicher nicht ohne Vorwarnung (falls überhaupt)", schrieb der Jurist in Twitters internem Chat laut The Verge.

Seinen eigenen Rausschmiss hat der Anwalt damit sichergestellt, also kann er gleich weiter ausholen: Musk sei nur darauf aus, alle User zu Geld zu machen, führt der von The Verge nicht namentlich genannte Jurist weiter aus: "Ich glaube nicht, dass er sich um die Menschenrechtsaktivisten, die Dissidenten, unsere Nutzer in nicht monetarisierbaren Regionen und alle anderen unserer Nutzer (schert)".

Das extreme Tempo, das Musk verlange, führe dazu, dass die Auswirkungen der Änderungen nicht im Voraus überprüft werden können. Solche Überprüfungen, insbesondere hinsichtlich Datenschutz und Datensicherheit, sind nicht nur üblich, sondern sogar verpflichtend: Twitter hatte erhebliche Mängel bei der Datensicherheit und musste sich schon 2011 mit der US-Behörde FTC dazu verpflichten, Auswirkungen von Dienständerungen vorab zu prüfen und den Datenschutz zu achten.

Daran hat sich die Firma nicht gehalten. Sie hat Telefonnummern, die Nutzer für Zwei-Faktor-Authentifizierung hinterlegt haben, für die Zuordnung von Reklame missbraucht. Dafür wurde Twitter diesen Mai zu 150 Millionen Dollar Strafe verdonnert. Gleichzeitig musste es eine zweite, schärfere Verpflichtung akzeptieren.

Jetzt verlangt Musk, dass seine einzelnen Softwareentwickler selbst bescheinigen, dass die ihnen aufgetragenen Änderungen allen Vorschriften entsprechen – auch wenn sie damit keinerlei einschlägige Erfahrung haben. Das führe zu "enormem persönlichen, professionellen und juristischen Risiko für Softwareentwickler", warnt der Twitter-Jurist. Zudem sei dieses Prozedere "extrem gefährlich für unsere User".

Die FTC werde Musks Vorgehen mit Milliardenstrafen ahnden, glaubt Twitters Rechtsexperte. Die Behörde hat bereits ihre "tiefe Besorgnis" ausgedrückt: "Kein CEO oder Unternehmen steht über dem Recht, und Unternehmen müssen unsere gerichtlichen Vergleiche einhalten", sagte ein hoher FTC-Manager, "(Das im Mai verschärfte Übereinkommen) gibt uns neue Werkzeuge, um seine Einhaltung sicherzustellen, und wir sind bereit, sie einzusetzen".

Der Twitter-Jurist erinnert seine Kollegen an Twitters eigene Ethik-Hotline, die Telefonnummer der FTC und die Whistleblower-Webseite whistlebloweraid.org. Außerdem weist er darauf hin, dass Twitter unbegrenzt Urlaub gewährt: "Vielleicht ist heute ein guter Tag, einen Erholungstag einzulegen." Dem schließt er die Mitteilung an, dass Chief Information Security Officer Lea Kissner gekündigt hat.

Lea Kissner auf der Usenix Enigma 2020 bei ihrem Vortrag "Stop Failing. Start Building for Humanity."

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Für die Mitarbeiter, die Twitter noch hat, ist das eine Hiobsbotschaft. Kissner ist eine beliebte Galionsfigur im Bereich IT-Security und Datenschutz, ein Idol für viele nordamerikanische Experten. Der Weggang dürfte weitere Kündigungen nach sich ziehen. Mit Kissner gegangen sind am Donnerstag auch Datenschutzchef Damien Kieran, Compliance-Chefin Marianne Fogarty sowie Yoel Roth, seines Zeichens Global Head of Safety & Integrity Twitters.

Dabei wäre am Donnerstag ein Compliance-Bericht an die FTC fällig gewesen. Denn Twitter hat sich dazu verpflichtet, binnen 14 Tagen nach einer Übernahme einen beeideten Bericht über Umsetzung und Einhaltung aller Verpflichtungen zu erstatten. Kaum vorstellbar, dass sich eine der vorgenannten Führungspersonen für diesen riskanten Eid hergegeben hat. Die irische Datenschutzbehörde verlangt Auskunft, wer denn bei Twitter jetzt für Datenschutz zuständig sei.

Auch Robin Wheeler, frisch gebackene Leiterin des Werbevertriebs, soll am selben Tag das Handtuch geschmissen haben. Kein Wunder, dass Musk offen davon spricht, dass seiner Firma der Bankrott droht. Da ihm die großen Werbekunden davonlaufen, gibt er als neues Ziel aus, dass Twitter die Hälfte des Umsatzes aus Abogebühren erwirtschaftet.

Den Anfang macht die monatliche Gebühr von acht US-Dollar für ein kleines Häkchen am Twitter-Profil. Das Unternehmen müsste dutzende Millionen Menschen finden, die jeden Monat acht Dollar zahlen, um Musks Umsatzziel zu erreichen.

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Früher hat dieses Icon bedeutet, dass Twitter die Identität des Kontoinhabers verifiziert hat. Damit unterstrich die Plattform ihren eigenen Wert. Doch für diese Verifizierungen hat Twitter kein Personal mehr. Jetzt bedeutet das weiße Häkchen auf blauem Grund, dass der Kontoinhaber acht Dollar gezahlt hat.

Sofort wurde das Zigfach missbraucht. Die Täter erstellten Profile, die prominenten Profilen ähneln, kauften sich das Häkchen-Icon, und posteten irreführende oder unanständige Tweets. Das veranlasste Musk zu einem zweiten Tagesbefehl an seine Belegschaft. Er enthielt nur einen Satz: "In den nächsten Tagen ist die absolute Top-Priorität, alle verifizierten Bots, Trolle und Spammer zu finden und zu sperren."

(ds)