UNESCO: Geplanter Schutz für Rundfunkunternehmen behindert Meinungsfreiheit

In ihrer Studie für die UNESCO kritisiert die britische Urheberrechtsexpertin Patricia Akester den Entwurf für das Abkommen "Broadcasting Treaty".

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Von
  • Monika Ermert

Der geplante "Broadcasting Treaty" der World Intellectual Property Organization (WIPO) hätte eine Einschränkung von Meinungs- und Informationsfreiheit zur Folge und würde damit internationales Recht verletzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation UNESCO in Auftrag gegebene Studie (PDF-Datei) der britischen Urheberrechtsexpertin Patricia Akester vom Queen Mary Intellectual Property Research Institute an der University of London. Sie fordert daher einige maßgebliche Veränderungen.

Der vorliegende Entwurf für ein internationales Abkommen zum Schutz der Rechte von Rundfunkorganisationen an gesendeten Programmen und audiovisuellem Rohmaterial beschränke sich zwar offiziell auf den Schutz der Rundfunkunternehmen gegen "Signalpiraterie", schreibt Akester. Allerdings würden vage Definitionen des Begriffs "Sendung" eine Ausdehung des Schutzes auch auf die Inhalte zulassen. Genau darauf zielten einzelne Bestimmungen im Entwurf auch ganz konkret, etwa das Recht, Sendungen für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Die Veröffentlichung der UNESCO-Studie kommt gerade noch rechtzeitig vor der für den 1. August vorgesehenen Vorlage eines neuen Textentwurfs für den umstrittenen Vertrag. Im September soll beim 15. Treffen des für Urheberrechtsfragen zuständigen WIPO-Gremiums über ein Datum zur Verabschiedung des Vertrages bei einer internationalen Regierungskonferenz entschieden werden.

Heftig umstritten war in den vergangenen Monaten auch, inwieweit die neuen Rechte auch auf Webcasting-Angebote ausgedehnt werden sollten. "Die Schaffung exklusiver Rechte für Webcaster, Hand in Hand mit Verpflichtungen bezüglich technologischer Schutzmaßnahmen, ist geeignet, den Informationszugang der Öffentlichkeit noch weiter einzuschränken," schreibt Akester in der Studie.

Der detaillierte Vergleich der geplanten Regelungen mit der Vielzahl exisitierender Bestimmungen angefangen von den Römischen Verträgen über das TRIPS-Abkommen bis zum WIPO Copyright Treaty zeige die beträchtliche Ausdehnung der Rechte der Rundfunkunternehmen. Erstmals erhielten klassische Rundfunkunternehmen und Kabelanbieter Exklusivrechte zur Weiter-Übertragung, Aufzeichnung, Wiederholung, Sendung von Aufzeichnungen und zur Bereitstellung von Sendungen für die Öffentlichkeit. Die Kabelanbieter und Rundfunkunternehmen könnten damit den Zugang zu eigentlich nicht urheberrechtlich geschütztem Material einschränken oder komplett verhindern, etwa Nachrichten, Politikerreden oder Material, das unter der Creative Commons Licence steht und eigentlich frei zugänglich sein soll. Einmal gesendet, gehörten sie zum Fundus der eigenen "Sendungen". Übrigens lasse sich auf diese Weise der auf 50 Jahre festgeschriebene Schutz für die Sender beliebig ausdehnen, durch einfache Wiederholung.

Die Studie, die laut dem UNESCO-Büro in Paris bereits an die WIPO weitergeleitet wurde, befürchtet das Aus für die Aufzeichnung von Sendungen per digitalen Videorekordern, digitalen Fernsehempfangskarten oder das Überspielen eines per TiVo gespeicherten Programms auf den Laptop. Das Speichern einer Sendung auf dem eigenen, mit dem Internet verbundenen Rechner könnte ebenfalls als Rechteverletzung ausgelegt werden, so die Studie. "So wie es im Moment aussieht, könnte das Abkommen eine Reihe von Ausnahmen vom Urheberrechtsschutz zunichte machen, die in vielen Ländern Gesetz sind."

Ein großes Fragezeichen setzt Akester schließlich auch beim DRM-Umgehungsschutz im Broadcasting Treaty, der sogar über das hinausgehe, was bislang bei der WIPO Standard war. Eine Ausnahme für die durch bestehende Schrankenregelungen gedeckte Nutzung beziehungsweise Umgehung des DRM-Schutzes gebe es nicht. "Wenn geltendes Urheberrecht nicht durch den WIPO Broadcasting Treaty ersetzt werden soll, bedarf es gesetzlicher Vorschriften zu den technologischen Schutzmaßnahmen", lautet eine Empfehlung der Studie. Wo eine Sendung per Gesetz nicht urheberrechtlich geschützt ist, soll es auch keinen Umgehungsschutz geben. Außerdem sollen die Unternehmen verpflichtet werden, Sendungen zugänglich zu machen, wenn die Nutzung keinerlei Rechte verletze.

Drei weitere Empfehlungen gibt die UNESCO-Studie. Zu allererst soll klar definiert werden, ob sich "Sendung" auch auf Inhalte erstreckt. Zweitens müssten auf jeden Fall klare Schrankenregelungen im Vertrag aufgelistet werden. Nationale Gesetzgeber sollten eigenen Schrankenregelungen ergänzen können, auch in der Zukunft.

Schließlich warnt die UNESCO davor, das eigentliche Ziel von Urheberrechts- und verwandten Ansprüchen aus dem Auge zu verlieren. Das Urheberrecht diene laut bestehenden internationalen Abkommen und nationalen Gesetzen dazu, Kreativität zu belohnen. "Aber die Sender schaffen die Werke nicht, sondern übertragen Pogramme, die solche Werke enthalten." Es gehe also mit Blick auf die Unternehmen doch eher um den Investitionsschutz. Daher wird in der Studie empfohlen, "dass der Vertrag einen Investitions-bezogenen Ansatz verfolgt". Nicht 50 Jahre sollten Sendungen, beziehungsweise Signale geschützt werden, sondern allenfalls die bereits in den Römischen Verträgen vorgesehenen 20 Jahre.

Zum Broadcasting Treaty der WIPO siehe auch:

(Monika Ermert) / (anw)