US-Anwalt muss Jerry Seinfeld für Copyright-Belästigung entschädigen

Selten erhalten in den USA zu Unrecht Beklagte Kosten erstattet, noch seltener müssen die Anwälte zahlen. Seinfeld hat das erstritten – mit Verlust.

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Richterhammer, darunter ein Stapel 100-Dollar-Scheine

(Bild: Bild von Marco Verch CC BY 2.0)

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Ein Copyright-Kläger und sein Anwalt müssen den beklagten Unterhaltungskünstler Jerry Seinfeld entschädigen. Nachdem die Klage wegen Verjährung zurückgewiesen worden war, verlangte Seinfeld die Erstattung seiner Anwaltskosten. Das zuständige Gericht ist dem tatsächlich nähergetreten, aber nur teilweise: Statt fast einer Million US-Dollar bekommt Seinfeld 28.842 Dollar. Das Urteil eröffnet Einblick in die absurde Welt hoch bezahlter US-Anwaltsfirmen.

Geklagt hatte der Regisseur und Autor Christian Charles, der über die Jahre an mehreren Projekten mit Seinfeld gearbeitet hat. Charles behauptet, bereits 2002 die Idee für Seinfelds Serie Comedians in Cars Getting Coffee (Comedians auf Kaffeefahrt) gehabt zu haben. Bei diesem Unterhaltungsformat fährt Seinfeld einen Gast in einem Oldtimer-Auto zu Kaffee oder Frühstück.

An der 2012 veröffentlichten Pilotfolge war Charles unstrittig beteiligt – laut Charles als Urheber, laut Seinfeld als unter Vertrag genommener Produzent und Regisseur, wofür Charles vertragsgemäß entlohnt wurde. 2012 forderte Charles von Seinfeld, zusätzlich als Urheber an den Einnahmen beteiligt zu werden. Seinfeld lehnte das ab und nannte Charles' Namen in den Credits der Pilotfolge nicht. An den regulären Folgen wirkte Charles nicht mehr mit.

Erst 2018, als Seinfeld mit Netflix einen lukrativen Vertrag für Rechte an Comedians in Cars Getting Coffee schließen konnte, verklagte Charles unter Berufung auf den Copyright Act Seinfeld auf Tantiemen. Das Verfahren wurde am US-Bundesbezirksgericht für das südliche New York geführt. Zunächst vertrat sich Charles selbst, später hatte er in Peter Skolnik einen Anwalt.

Seinfeld ließ sich von der Kanzlei Gibson, Dunn & Crutcher vertreten, die eine Zurückweisung der Klage wegen Verjährung beantragte. Zweimal versuchte Charles vergeblich, das durch eine verbesserte Klage abzuwenden. Die Verjährungsfrist beträgt nur drei Jahre, und zwar ab 2012. Erstens habe Seinfeld damals die Forderung abgelehnt, zweitens sei die Pilotfolge ohne Charles' Erwähnung in den Credits erschienen.

Somit kam die 2018 eingebrachte Klage viel zu spät. Charles berief, blitzte aber auch beim zuständigen US-Bundesberufungsgericht für den zweiten Bundesgerichtsbezirk ab. Dann forderte Seinfeld Ersatz seiner Verfahrenskosten – und zwar nicht von Charles selbst, sondern von dessen Anwalt Skolnik.

Jerry Seinfeld mit "Seinfeld"-Kollegen Julia Louis-Dreyfus und Michael Richards (v.l.n.r.(

(Bild: Everett Collection/Shutterstock.com)

In den meisten US-Gerichtsverfahren müssen Verfahrensparteien ihre Kosten selbst tragen, egal, wie das Verfahren ausgeht. Der US Copyright Act kennt jedoch eine Sonderbestimmung, die dem Gericht erlaubt, Verfahrensparteien nach Billigkeit den Ersatz der Kosten der Gegenpartei vorzuschreiben. Oft gewährt wird solcher Kostenersatz nicht.

Noch ungewöhnlicher ist, einen Anwalt einer Streitpartei zum Kostenersatz zu verpflichten. Das passiert nur, wenn die Klage von vornherein aussichtslos war. Außerdem muss die Klage böswillig eingebracht worden sein, nämlich zu anderen Zwecken als der Rechtsdurchsetzung, beispielsweise Belästigung oder Zeitschinden. Das Bundesbezirksgericht erachtet diese Voraussetzungen als gegeben, weshalb Charles und Skolnik zur gesamten Hand für Seinfelds Verfahrenskosten haften.

Leider waren Seinfelds Rechtsfreunde teuer. Sie haben ihrem prominenten Mandanten nicht weniger als 872.939,66 Dollar verrechnet, zuzüglich 100.918,71 Dollar Auslagen, in Summe fast eine Million Dollar. Orin Snyder, Teilhaber der Anwaltskanzlei, hat Stundensätze verrechnet, die von 1.395 Dollar 2018 auf 1.550 Dollar 2020 gestiegen sind. Andere beteiligte Anwälte sind mit 442,50 bis 1.320 Dollar pro Stunde veranschlagt, Rechtsassistenten mit circa 400 Dollar und Bürokräfte mit 195 bis gut 300 Dollar pro Stunde.

Das Gericht erlaubt nur etwas bescheidenere Exzesse. Es gesteht Snyder bis zu 925 Dollar Stundenlohn zu, weiteren Anwälten 400 bis 800 Dollar, den Assistenten bis zu 300 Dollar und den Bürokräften 150 Dollar.

Gleichzeitig hält das Gericht die in Verrechnung gebrachten Stunden für heillos überzogen und kürzt sie um die Hälfte. Seinfelds Anwälte hatten im Verfahren selbst vorgetragen, dass der Fall ausnehmend simpel sei. Außerdem schickten sie ohne Bedarf große Abordnungen zu mündlichen Verhandlungen und ließen sich außerdem für zu Übungszwecken abgehaltene Scheinverfahren bezahlen – ohne Notwendigkeit, so das Gericht: Statt fast 873.000 Dollar wären "nur" 287.500 Dollar angemessen.

Noch schärfer reduziert das Gericht die Verfahrenskosten: Über 66.000 Dollar für "elektronische Recherche" und rund 33.000 Dollar für das Hosten einer Datenbank für die Offenlegung von Dokumenten seien gänzlich unzulässig. Das Nachschlagen von Gesetzen und Urteilen sei in den Stundensätzen der Anwälte inbegriffen und dürfe nicht extra verrechnet werden. Das Hosten einer Datenbank für die Offenlegung von Dokumenten sei nicht nur viel zu teuer, sondern auch unnötig gewesen: Die Klage wurde abgewiesen, bevor es galt, Dokumente offenzulegen.

Bleiben gut 1.300 Dollar Kopierkosten und 532 Dollar für Botendienste. Allerdings konnten Gibson, Dunn & Crutcher nicht erklären, warum sie so viel kopieren mussten, und warum so viele eilige Boten notwendig waren. Das Gericht halbiert diese Posten, was immer noch 920 Dollar Auslagen ergibt.

Allerdings ist der gescheiterte Kläger mittellos. In den vier Jahren vor Klageerhebung hat Charles in Summe nur 1.000 Dollar verdient. Ersparnisse hat er keine mehr, was Seinfeld nicht in Frage stellt. Daher reduziert das Gericht den Kostenersatz um 90 Prozent auf 28.750 Dollar für Anwälte zuzüglich 92 Dollar für Auslagen.

Gerechnet hat sich Seinfelds Antrag auf Erstattung der Kosten nicht; seine Anwälte verlangen garantiert mehr als 28.842 Dollar für diese Arbeit. Charles und Skolnik können den Betrag plus Zinsen in zehn Jahresraten abstottern. Beide Seiten können gegen die Kostenentscheidung Rechtsmittel einlegen.

(ds)