US-Bürgerrechtler plädieren für strengere Patentierungsregeln

Die Electronic Frontier Foundation unterstützt die Firma KSR in ihrem Kampf gegen Trivialpatente vor dem Obersten US-Gerichtshof, da sie bei der gegenwärtigen Patentpraxis vor allem freie Softwareprojekte gefährdet sieht.

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Die Electronic Frontier Foundation (EFF) unterstützt die kanadische Firma KSR International in ihrem Kampf gegen Trivialpatente vor dem Obersten US-Gerichtshof, da sie bei der gegenwärtigen Methodik der Vergabe gewerblicher Schutzansprüche vor allem freie Softwareprojekte gefährdet sieht. Sie kritisiert insbesondere die Spruchpraxis des Federal Circuit Court of Appeals bei der Einschätzung der "Offensichtlichkeit" von Patentansprüchen. Gemäß einem US-Bundesgesetz von 1952 hat eine Erfindung eigentlich als trivial und damit nicht schutzwürdig zu gelten, wenn ein Experte auf dem betroffenen Fachgebiet sie als offensichtlich bezeichnet. Das Bundesberufungsgericht hat Kritikern zufolge dieses Ausschlusskriterium stark aufgeweicht, sodass die EFF gemeinsam mit KSR eine umfassende Korrektur dieser Tendenz fordert.

Der Federal Circuit Court of Appeals hat in den vergangenen Jahren eine weitgehende Einschränkung der Offensichtlichkeitsregel vorgenommen, indem er den so genannten Anregungstest entwickelt hat: Eine Erfindung kann nur dann als trivial bezeichnet werden, wenn es "eine Unterrichtung, eine Anregung oder einen geistigen Antrieb" gab, in deren Folge ein Patentanmelder Informationen über bereits bestehende Erfindungen in seinem speziellen Gebiet erhielt. Folglich ist selbst eine einfache Neukombination bereits bekannter Techniken oder Verfahren hinreichend, um einen Monopolanspruch zu erhalten. Nur dann, wenn ein Kläger nach diesem Test konkrete Hinweise auf identische bestehende Erfindungen im Sinne der "Prior Art" vorlegt, erkennt das Berufungsgericht die Offensichtlichkeit einer Patentanmeldung an und weist diese zurück.

Die EFF hat ihre schweren Bedenken gegen diese Praxis in einer Eingabe an den US Supreme Court zugunsten von KSR dargelegt (PDF-Datei). Der Anregungstest des Berufungsgerichts zwinge die gegen ein Patent klagende Partei demnach dazu, die Details technischer Papiere auf Anhaltspunkte hin zu durchwühlen, "in denen irgendjemand irgendwo das Offensichtliche dargelegt hat". Der EFF zufolge ist dies "ineffizient und beschwerlich und steht im Widerspruch zu den Prinzipien, Regeln und Standards, die der Supreme Court aufrechtgehalten hat".

In ihrem Schreiben betont die EFF, dass der Anregungstest zu einem massiven Anstieg bei der Vergabe von Trivialpatenten geführt hat, insbesondere in den Bereichen Software und Biotechnologie. Diese "schlechten Patente" würden dann "Waffen" gegen legitime Erfinder in den Händen von "Patent-Trollen", die das US-Patentwesen mit Hilfe der Androhung und Anzettelung gerichtlicher Auseinandersetzungen auf Basis ihrer meist aufgekauften und nicht selbst industriell angewendeten Monopolrechte missbrauchen.

Unter dieser Entwicklung litten hauptsächlich die Entwickler freier Software, legt der EFF-Anwalt Jason Schultz dar: "Sie haben oft nicht die Ressourcen oder die formale Dokumentation, um sich gegen Trivialpatente unter dem Anregungstest zur Wehr zu setzen." Bei den verteilt arbeitenden Open-Source-Projektgruppen sei es etwa häufig sehr schwierig, alle Arbeitsunterlagen und Erfindungsschritte zu archivieren und nachzuweisen. Es sei daher äußerst wichtig, dass das Oberste US-Gericht angemessene und ausbalancierte Standards für die Patenterteilung setzt, heißt es in dem Schreiben. Gefördert werden müsse das Wachstum der immer wichtiger werdenden Open-Source-Wirtschaft, nicht das von "Patentdickichten".

Zuvor hatten auch die Konzerne Cisco und Microsoft im Fall KSR vs. Teleflex eine Eingabe an den Supreme Court verfasst. Darin erklären sie, dass der Berufungsgerichtshof einen zu "schwachen Standard für die Patentierbarkeit etabliert" habe. Unter Rechtsgelehrten ist es aber umstritten, ob das Bundesberufungsgericht tatsächlich den Offensichtlichkeitsstandard durchlöchert hat. Unabhängige US-Erfinder wehren sich zudem gegen eine Verschärfung der Patentierungspraxis. Gewerbliche Schutzrechte seien zu hart, nicht zu einfach zu bekommen, bekundet etwa der Entwickler Stephen Wren aus St. Louis im Einklang mit der Professional Inventors Alliance USA. Bei dem Gerichtsverfahren gehe es genauso wie bei einem neuen Vorstoß zur Reform des US-Patentsystems aus dem Kongress nur darum, die Interessen globaler Konzerne durchzusetzen. Es würde alles unternommen, um das Patentwesen nicht zu reparieren, sondern "zu beerdigen".

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (anw)