US-Musikindustrie sieht illegales Filesharing "unter Kontrolle"

Die Lobbyvereinigung RIAA hat nach eigenen Angaben mit ihren Klagen gegen die Produzenten von P2P-Software und Tauschbörsennutzer das Problem massenhafter Copyright-Verletzungen in den Griff bekommen.

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Die Lobbyvereinigung der US-Musikindustrie hat nach eigenen Angaben mit ihren Klagen gegen die Produzenten von P2P-Software und individuelle Tauschbörsennutzer das Problem massenhafter Urheberrechtsverletzungen im Internet in den Griff bekommen. Man habe das illegale Filesharing digitaler Songs "unter Kontrolle", erklärte der Geschäftsführer der Recording Industry Association of America (RIAA), Mitch Bainwol, in einem Interview mit der US-Zeitung USA Today. Optimistisch stimmt ihn vor allem die Tatsache, dass sich der Verkauf musikalischer Werke über legale Online-Plattformen zu einem "wachsenden, blühenden Geschäftszweig entwickelt hat". Der illegale Austausch geschützter Songs stagniere dagegen.

Die US-Musikindustrie verkauft bislang zwar auch in diesem Jahr wieder weniger Alben auf CDs als 2005. Bainwol spricht von einem weiteren Rückgang um drei Prozent. Dafür sei bei legalen digitalen Downloads ein Zuwachs um 77 Prozent zu verzeichnen. Die RIAA hat bisher über 18.000 Personen wegen Copyright-Verstößen im Internet verklagt. Bei etwa 4500 kam es inzwischen zu außergerichtlichen Vergleichen, wobei die Beschuldigten durchschnittlich jeweils 4000 US-Dollar für die Beilegung des Rechtsstreits zahlten. Der weltweite Dachverband der Musikindustrie, die IFPI, hat zudem in Europa etwa 2000 Nutzer von Tauschbörsen wegen Urheberrechtsverstößen in zehn Ländern angeklagt.

Einen juristischen Sieg erzielte die RIAA gemeinsam mit anderen Verbänden von Rechtehaltern zudem vor fast genau einem Jahr mit der Entscheidung des Obersten US-Gerichtshofs gegen Grokster und Streamcast Networks. Der Supreme Court hob eine Entscheidung der Vorinstanz auf, wonach die beiden Betreiber von P2P-Netzen nicht angeklagt werden dürfen. Nach Unterlassungsaufforderungen stellte etwa die Musiktauschbörse WinMX rasch ihren Dienst ein. Der Anbieter der Tauschbörsensoftware BearShare, Free Peers, zahlte der US-Musikindustrie zudem jüngst 30 Millionen US-Dollar zur Beilegung von Vorwürfen, das P2P-Programm habe zu Copyright-Verletzungen beigetragen.

Eric Garland, Geschäftsführer der Marktforschungsfirma BigChampagne, geht trotzdem davon aus, dass mehr Menschen als je zuvor die nach wie vor bestehenden P2P-Netze nutzen. Laut Messungen im Mai seien fast zehn Millionen Nutzer darin zu jeder erdenklichen Zeit online und würden Songs, Videos oder Software tauschen. 2005 habe sich die Zahl auf 8,7 Millionen Nutzer belaufen. Garland zufolge sind in Tauschbörsen allein 1,5 Milliarden Songs permanent frei verfügbar.

Kritik am Vorgehen der Musikindustrie hatte vor kurzem jüngst die ehemalige RIAA-Geschäftsführerin Hilary Rosen geäußert. "Ich teile die Bedenken, dass sich die Klagen überlebt und einen Großteil ihrer Nützlichkeit verloren haben", schrieb sie in einem Blogbeitrag. Die Plattenfirmen müssten stärker an einer Strategie arbeiten, die mehr P2P-Seiten legalisiere und das Archiv der rechtmäßig aus dem Netz herunterladbare Titel vergrößere. Zudem müssten die von der RIAA für gut befundenen Musikplattformen sowie die Abspielgeräte technisch besser zusammenspielen und interoperabel sein. "Der iPod ist immer noch zu klein als Teil des gesamten Marktpotenzials", betonte Rosen im Hinblick auf die Bemühungen Apples zur Erschließung des kommerziellen digitalen Downloadsektors. Das auf dem Player und der zugehörigen Site iTunes zur Verwendung kommende System zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) ärgere sie darüber hinaus. Generell sei die DRM-Strategie zu überdenken.

Hierzulande geht die Musikindustrie ebenfalls von einem Rückgang bei Musik-Downloads aus illegalen Quellen aus. Der ausgemachte Erfolg gilt unisono mit der US-Schwestergesellschaft als "Ergebnis konsequenter Pirateriebekämpfung einerseits und aktiver Unterstützung legaler Angebote andererseits". Die Lobbyverbände dies- und jenseits des Atlantiks sind sich aber auch einig, dass sie das Problem der illegalen Nutzung von P2P-Netzen noch länger beschäftigen wird.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)