US-Repräsentantenhaus stimmt gegen "Netzneutralität"

Nach unterschiedlichen Signalen aus Ausschüssen hat das Plenum der Abgeordnetenversammlung einen Gesetzesentwurf abgelehnt, demzufolge die Übertragung aller Inhalte im Netz gleich behandelt werden sollte.

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Die Befürworter eines "neutralen", keine unterschiedlichen Preismodelle für die Übertragung spezifischer Inhalte vorsehenden Netzwerks haben im US-Repräsentantenhaus eine schwere Niederlage erlitten. Die Abgeordnetenversammlung votierte am gestrigen Donnerstag mit republikanischer Mehrheit gegen einen Änderungsvorschlag am so genannten Communications Opportunity, Promotion, and Enhancement Act of 2006 (COPE), mit dem die aus 1996 datierende Telekommunikationsgesetzgebung der USA reformiert werden soll. Der Anhang des Demokraten Edward Markey zu dem Gesetzesentwurf sah vor, die "Netzneutralität" zu sichern. Breitbandanbietern wäre es etwa auferlegt worden, jedem Inhalteanbieter unterschiedslos und diskrimierungsfrei ihre Leitungen zur Verfügung zu stellen. Für Leistungsmerkmale wie eine garantierte oder besonders rasche Übertragung von Inhalten hätten Provider keine zusätzlichen Gebühren erheben dürfen. Ziel war es, das offene Internet und das damit einhergehende Innovationspotenzial zu bewahren.

Mit 269 zu 152 Stimmen lehnten die US-Parlamentarier das Ansinnen Markeys aber deutlich ab, wobei vor allem Republikaner gegen den Korrekturvorschlag votierten. Sie sind gemeinsam mit großen Breitbandanbietern wie AT&T und Verizon der Ansicht, dass der COPE Act auch so genügend Anreize zur Aufrechterhaltung eines "neutralen" Internet enthält. So will der Gesetzesentwurf etwa die Autorität der Federal Communications Commission (FCC) verdeutlichen, Zugangsanbietern die Blockade oder Herabstufung von Inhalten oder Applikationen zu untersagen. Generell sind viele Republikaner der Ansicht, dass das Internet gerade aufgrund seiner Unreguliertheit groß wurde und die Gesetzgeber daher auch sein weiteres Wachstum weitgehend dem Markt überlassen sollten. "Ich will auch ein dynamisches Internet", wies der aus Texas stammende republikanische Abgeordnete Lamar Smith die Regulierungsansätze aus dem Lager der Demokraten zurück. Dafür brauche es aber keine staatlichen Auflagen.

"Die künftigen Sergey Brins und Marc Andreessens werden Steuern abführen müssen" an Breitbandanbieter, versuchte Markey dagegen zu halten und die Volksvertreter von seinem Anliegen zu überzeugen. Die Abstimmung werde "das Internet für alle Zeiten auf ewig verändern". Zuvor hatten Verfechter des Konzepts der Netzneutralität wie der Stanforder Rechtsprofessor Lawrence Lessig ähnlich von einer "historischen Wahl über die Zukunft des Internet" gesprochen. Ohne eine Klausel zur Sicherung der Übertragung von Inhalten ohne Unterschied würde das wirtschaftsfreundliche und demokratische Kommunikationsmedium in das Eigentum von Kabel- und Telefonkonzernen übergehen. Diese könnten Mauthäuschen auf jede Zufahrt zum Datenhighway stellen.

Unterstützt werden Regulierungsansätze für ein neutrales Netz insbesondere von Firmen wie Amazon.com, eBay, Google oder Yahoo, die nicht für den Zugang zu den Leitungen und Backbones der großen Netzanbieter gesondert zahlen wollen. Aber auch eine breite und bunt gemischte Koalition aus Internetaktivisten, Künstlern und Bands wie R.E.M. oder Moby macht sich für die Netzneutralität stark. Eine ihrer Hauptplattformen ist die Site SavetheInternet.com.

Trotz der prominenten Mitstreiter hat Markey nun mehrere politische Rückschläge mit seinen Anläufen zur Verteidigung eines offenen Internet erlitten. Für die hinter ihm stehenden Netzgrößen könnte ihre politische Lobbyarbeit sogar nach hinten losgehen: Ein anderer demokratischer Abgeordneter, Charles Gonzalez aus Texas, hat gerade einen Änderungsvorschlag zu Markeys Korrekturantrag eingebracht, der neben Breitbandanbietern auch allen kommerziellen Websites und Suchmaschinen "neutrale" Geschäftspraktiken auferlegen will. Die FCC soll damit ermächtigt werden, etwa die Werbemechanismen und Contentgeschäfte von Online-Anbietern zu regulieren. Die Behörde müsste etwa darauf achten, dass dabei allen die gleichen Bedingungen gemacht werden. Wirklich ernst meint es Gonzalez aber anscheinend nicht. Eher will er zeigen, dass mit immer neuen Gesetzen rund ums Internet "eine massive staatliche Regulierung" entstehen würde, die eine freie Entfaltung des Netzmediums eher behindere.

Im Repräsentantenhaus sowie im US-Senat warten derweil noch mehrere andere Gesetzesvorschläge auf ihre Abstimmung, die sich auf die ein oder andere Weise für oder gegen das in den USA hitzig diskutierte Thema Netzneutralität stark machen. Die gestrige Abstimmung gilt aber als richtungsweisend. An den Mehrheiten rund um das Konzept dürfte sich zumindest im Repräsentantenhaus vorläufig wenig ändern.

Siehe zur Debatte um die Netzneutralität auch:

(Stefan Krempl) / (jk)