US-Richter: NSA verstößt mit Datensammlung wohl gegen die Verfassung
In den USA hat ein Bundesbezirksrichter im Rahmen einer Vorausklage entschieden, dass die NSA höchstwahrscheinlich gegen die Verfassung verstößt, wenn sie Daten aller Telefonate von US-Bürgern sammelt.
Ein US-amerikanischer Bundesbezirksrichter hat am gestrigen Montag entschieden, dass die NSA höchstwahrscheinlich gegen die Verfassung verstößt, indem sie Daten aller US-Telefonate speichert. Das berichtet die New York Times und zitiert Richter Richard J. Leon mit den Worten, das Programm habe "fast Orwellsches Ausmaß" ("almost Orwellian"). Er habe verfügt, dass die US-Regierung die Sammlung von Verbindungsdaten der zwei Beschwerdeführer stoppen müsse und alle gespeicherten Daten über sie löschen muss. Gleichzeitig erlaubte er der US-Regierung eine Einspruchsfrist von sechs Monaten, weil Belange der nationalen Sicherheit betroffen seien. Das Verfahren heißt Larry Elliott Klayman, et al, v Barack Hussein Obama, et al.
In der 68 Seiten langen Entscheidung hat der Richter erklärt, er könne sich kein "wahlloseres" und "willkürlicheres" Eindringen vorstellen, als diese systematische und hochentwickelte Sammlung und Speicherung von persönlichen Daten jedes einzelnen Bürgers. Das widerspreche sicher dem Grad an Privatsphäre, den die Gründerväter im Vierten Zusatzartikel der US-Verfassung festgeschrieben haben. Richard J. Leon hat demnach als erster Richter, der nicht dem Geheimgericht FISC angehört, die massenhafte Datensammlung von US-Amerikanern überprüft, ohne dass es dabei um einen Angeklagten ging. Der geheime Foreign Intelligence Surveillance Court hatte immer die Verfassungsmäßigkeit der Überwachung bestätigt.
Seine Entscheidung erging nun aber nur in einer Vorausklage und nimmt das endgültige Urteil nicht vorweg. Es geht demnach nur um die Sammlung der Daten der beiden Kläger, deren Klage er eine erhebliche Wahrscheinlichkeit auf Erfolg attestierte. Das ist der erste juristische Erfolg gegen die Überwachung, wie sie Edward Snowden aufgedeckt hat. Die US-Regierung habe nicht einen einzigen Fall nennen können, in dem die massenhafte Sammlung von Verbindungsdaten eine unmittelbar bevorstehenden Angriff habe verhindern können, so der Richter.
Außerdem habe Leon die Argumentation der US-Regierung zurückgewiesen, diese Sammlung sei erlaubt, weil 1979 gerichtlich entschieden wurde, Verbindungsdaten fielen nicht unter den verfassungsmäßigen Schutz der Privatsphäre. Das Urteil sei zu einer anderen Zeit ergangen und würde die technische Entwicklung und die heute viel intensivere Nutzung von Telefonen nicht in Betracht ziehen. Diese Ansicht hat ein Anwalt des Weißen Hauses umgehend zurückgewiesen, berichtet die New York Times: "Es ist nicht Sache eines Bundesbezirksrichters, die anhaltende Rechtmäßigkeit einer Entscheidung des Supreme Courts in genau dieser Sache infrage zu stellen".
Die vorliegende Entscheidung war auf Betreiben des konservativen Aktivisten Larry Klayman ergangen, der seine Klage nun in eine Sammelklage für alle US-Amerikaner umwandeln wolle. Andere Klagen, etwa von den Bürgerrechtsgruppen ACLU (American Civil Liberties Union) und EFF (Electronic Frontier Foundation) seien noch nicht so weit fortgeschritten.
Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordert angesichts der Entscheidung des US-Richters, das endlich auch Konsequenzen in Deutschland gezogen werden: "Das ohnehin schon nicht tragfähige Eis, auf dem sich die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung bewegen, ist noch dünner geworden." Der AK Vorrat Wir fordere die neue Bundesregierung auf, "von einer Wiedereinführung dieser Überwachung in Deutschland abzulassen".
(mho)