US Supreme Court hebt Kontaktverbot mit "social media companies" auf

Urteile, wonach US-Behörden und -Amtsträger nicht mit Betreibern Sozialer Netze sprechen dürfen, sind aufgehoben. Die Kläger haben nämlich nichts zu rütteln.​

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Drei Personen, ihn ihre Handys vertieft, auf einem U-Bahnsteig

(Bild: William Perugini/Shutterstock.com)

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Eine Reihe von US-Bundesbehörden durfte laut einer 2023 ergangenen einstweiligen Verfügung keinen Kontakt mit Betreibern Sozialer Netze haben. Dieses Verbot hat der US Supreme Court am Mittwoch mit sechs zu drei Richterstimmen aufgehoben. Die Begründung: Die Kläger waren zu ihrer Klage gar nicht berechtigt ("no standing"). Damit dürfte sich das Hauptverfahren erübrigen.

Anlass des Verfahrens waren Aufrufe und Vorschläge verschiedener US-Bundesbehörden an Betreiber Sozialer Netze, Missinformation und Desinformation auf ihren Plattformen einzudämmen. Kläger waren fünf Einzelpersonen sowie die republikanisch regierten Bundesstaaten Missouri und Louisiana, die für sich in Anspruch nehmen, die Interessen ihrer Bürger zu vertreten. Sie störten sich daran, dass Bundesbehörden wie das FBI oder das für Seuchenbekämpfung zuständige CDC Maßnahmen gegen Lügen über Wahlergebnisse oder Impfstoffe angeregt haben, darunter die Löschung von Beiträgen oder zumindest nicht deren breite Streuung. Solche Anregungen seien Kompetenzüberschreitung, Verstoß gegen diverse Vorschriften über die Durchführung von Verwaltungsaufgaben sowie ein Verstoß gegen den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung. Letzterer verbrieft das Recht auf Freie Rede.

Mit diesen Argumenten erwirkten die Kläger im Juli 2023 am US-Bundesbezirksgericht für das westliche Louisiana eine bundesweite einstweilige Verfügung. Zwar richtete sich die Klage gegen zahlreiche Behörden und Amtsträger, von US-Präsident Joe Biden abwärts; der Richter untersagte dann aber nur ausgewählten US-Behörden Kontakt mit "social media companies".

Die US-Regierung bekämpfte die einstweilige Verfügung, erreichte beim Bundesberufungsgericht für den fünften Bundesgerichtsbezirk ("Fifth Circuit") aber nur eine Einschränkung der Verfügung. Dieses Gericht war einst für bahnbrechende Entscheidungen für Bürgerrechte bekannt, doch inzwischen eilt ihm der Ruf voraus, besonders republikanisch ideologisiert zu sein. Der Supreme Court, selbst republikanisch dominiert, hat in jüngerer Zeit ungewöhnlich viele Entscheidungen aus dem fünften Bundesgerichtsbezirk umgedreht, am Mittwoch kam eine weitere hinzu.

Denn entgegen der Entscheidung des Fifth Circuit sind die Kläger gar nicht berechtigt, die Klage zu erheben. Denn sie konnten nicht darlegen, durch behördlichen Druck auf Betreiber Sozialer Netze beeinträchtigt worden zu sein. Erstens haben die Betreiber ihre Zensurentscheidungen auf Basis der von ihnen selbst aufgestellten Regeln getroffen, nicht aufgrund behördlichen Zwangs. Entsprechend könne eine Verfügung gegen die Behörden gar nicht zu einer Änderung der Regeln der Sozialen Netze führen.

Sogar die von den Klägern vorgelegten Dokumente haben gezeigt, dass die Betreiber schon gegen Desinformation zu COVID-19 vorgegangen sind, bevor der Großteil der inkriminierten Gespräche mit Behördenvertretern überhaupt begonnen hatte. Auch heute gelten diese Regeln weiter, obwohl die Bundesbehörden ihre Bemühungen eingestellt haben.

Damit fällt auch die zweite Voraussetzung für eine einstweilige Verfügung, die sich nur gegen zukünftiges Unbill richten kann: Wenigstens ein Kläger hätte zeigen müssen, dass er erheblichem Risiko ausgesetzt ist, in naher Zukunft von Zensur betroffen zu sein, die von wenigstens einem Sozialen Netzes als Reaktion auf eine Maßnahme wenigstens eines Beklagten ausgeübt wird. Das ist keinem Kläger gelungen.

Zusätzlich erteilt der Supreme Court einem Argument eine Absage, das zu einem Ausufern von Klageberechtigungen geführt hätte: Die Kläger behaupteten ein "Recht auf Zuhören". Durch Löschung von Online-Postings würden sie in ihrem Recht beschnitten, die gelöschten Inhalte zu erfahren. Tatsächlich besteht das Recht auf Empfang von Informationen laut früherer Rechtsprechung (Kleindienst v Mandel) aber nur, wenn zwischen Empfänger und Absender eine konkrete, spezifizierte Beziehung besteht. Die Kläger hätten kein einzelnes Beispiel dafür geliefert, wie sie in ihrem Empfang von Kommunikation konkret beeinträchtigt worden seien. Ohne konkreten Schaden können sie nicht die Gerichte bemühen.

Missouri und Louisiana behaupteten einen Anspruch, ihren Bürgern zuzuhören. Sie haben aber ebenfalls keine Beispiele für Themen oder Bürger gebracht, von denen sie nicht hätten hören können. Und laut einem Erkenntnis aus dem Vorjahr sind US-Staaten nicht legitimiert, ohne selbst beeinträchtigt zu sein, ganz allgemein im Namen ihrer Bürger Bundesbehörden zu verklagen.

Der Supreme Court hat die Berufungsentscheidung des Bundesberufungsgerichts aufgehoben. Dieses muss nun den Vorgaben des Supreme Court folgend erneut über die Berufung gegen die einstweilige Verfügung erster Instanz entscheiden. Sofern dem Berufungsgericht keine grundlegend neuen Theorien für Aktivlegitimationen der Kläger einfallen, muss es den Prozess einstellen.

Das Verfahren hießt zunächst Missouri et al v Biden et al. Am US-Bundesbezirksgericht für das westliche Louisiana war es unter dem Az. 3:22-CV-1213 veraktet, am Bundesberufungsgericht für den fünften Bundesgerichtsbezirk unter dem Az. 23-30445. Vor dem Supreme Court lautet die Bezeichnung Murthy v Missouri, Az. 23–411.

(ds)