US-Urteil: Remastering von Aufnahmen schafft neues Copyright
Ein kalifornisches Urteil sorgt fĂĽr Aufregung in der Branche: Neu gemasterte Versionen von Musikaufnahmen sind rechtlich separat von den Originalaufnahmen zu betrachten. Das macht es komplizierter fĂĽr die Musiker und auch fĂĽr Lizenznehmer.
Beim Remastering werden in aller Regel nicht bloß störende Geräusche entfernt. Der Toningenieur legt nach eigenem Geschmack Hand an.
Das Remastering einer Musikaufnahme lässt in der Regel ein eigenes Werk entstehen. Diese Feststellung eines Bundesbezirksrichters in Kalifornien sorgt für Aufregung in der US-Musikbranche, denn die Bearbeitung kann anderen Copyright-Regeln folgen als die Originalaufnahme. Für Musiker und Sänger ist das keine gute Nachricht.
Anlass des Gerichtsverfahrens war die Copyright-Klage mehrerer Musiker und Sänger gegen das Medienunternehmen CBS. Die Kläger hatten über hundert Musikaufnahmen vorgelegt, die sie vor dem 15. Februar 1972 gemacht hatten. CBS habe diese Lieder im Radio sowie über Webstreams wiedergegeben, ohne eine Lizenz dafür gelöst zu haben.
Stichtag 15. Februar 1972
Erst seit 15. Februar 1972 werden die Rechte an Musikaufnahmen durch US-Bundesrecht geregelt. Ältere Aufnahmen unterliegen dort Gesetzen und Richterrecht (Common Law) der einzelnen Bundesstaaten. Das Bundesrecht sieht vor, dass Radiosender bei Ausstrahlungen zwar Tantiemen an Komponisten, Texter und Verleger zahlen müssen, nicht aber den an der konkreten Aufnahme beteiligten Personen.
(Bild:Â Van Vechten Collection (gemeinfrei))
Diese bis heute in den USA bestehende Gratislizenz wurde damals mit dem Werbeeffekt der Radioübertragung begründet, die den Plattenverkauf ankurbeln könne. Betreiber von Webstreams und Satellitenradios müssen zwar die Aufführungsrechte abgelten, dürfen aber ohne Zustimmung der einzelnen Künstler senden.
Staatenrecht vs Bundesrecht
In den älteren Gesetzen der US-Bundesstaaten und im Common Law gibt es solche Gratis- oder Zwangslizenzen nicht. Aber das störte jahrzehntelang nicht. Die aufnehmenden Künstler gingen leer aus. Erst 2014 fiel ein entscheidendes Urteil: Der Satellitenradiobetreiber Sirius XM wurde nach kalifornischem Recht der Copyrightverletzung für schuldig befunden, weil er Aufnahmen der Band The Turtles aus den 1960er-Jahren gesendet hatte.
Es folgten diverse außergerichtliche Vergleiche sowie weitere Klagen, in denen es um das Senden von Aufnahmen von vor 1972 ging. Solch ein Verfahren hatte nun auch der kalifornische Bundesbezirksrichter Percy Anderson auf dem Tisch. Kläger waren die Inhaber der Aufführungsrechte an verschiedenen Aufnahmen, etwa von Otis Clay, The Everly Brothers, The Chordettes und Mahalia Jackson.
Der beklagte Sender CBS fuhr eine gänzlich neue Verteidigungsstrategie: Er gab an, ausschließlich digitale Aufnahmen auszustrahlen. Die Originalaufnahmen seien bei der Digitalisierung stets remastered worden. Und dabei werde das Originalwerk zwar nicht stark, aber doch hinreichend verändert, um zu einer Bearbeitung zu werden. Weil diese Bearbeitungen nach 1972 erfolgt sind, berief sich CBS auf die Gratis- und Zwangslizenzen nach Bundesrecht.
(Bild:Â Masahiro Sumori CC-BY 3.0 )
Zur Überraschung der Branche ist der Richter dieser Argumentation gefolgt. Die rechtlich erforderliche Schöpfungshöhe für ein Werk sei "minimal" und "extrem niedrig", heißt in dem am Montag gefällten Urteil. Diese Hürde gelte unverändert, wenn ein bestehendes Werk mit Zustimmung der Rechteinhaber abgewandelt wird. Sobald die Veränderungen über rein mechanische Verfahren für Umformatierungen oder zur Geräuschreduktion hinausgehen, und das Ergebnis vom Original unterscheidbar sei, liege also eine Bearbeitung vor. Damit kann sich CBS auf die gesetzlichen Lizenzen berufen und die Kläger gehen leer aus.
Weitreichende Folgen
Sollte das Urteil Bestand haben und sich an anderen US-Gerichten Schule machen, wird es erhebliche Folgen haben. Die neuen Bearbeitungen haben ein neues "Geburtsdatum". Das Remaster wird also später gemeinfrei als die Originalaufnahme. Außerdem ändert sich der Kreis der Rechteinhaber. Zu den an der Originalaufnahme Berechtigten können sich etwa der Toningenieur des Remasters und etwaig weitere Mitwirkende hinzugesellen. An der Originalaufnahme beteiligte Personen können auch wegfallen, sollte ihr Beitrag beim Remastering entfernt oder durch eine neue Tonspur ersetzt werden.
Für Lizenznehmer wird es also noch wichtiger werden, ähnliche Aufnahmen voneinander zu unterscheiden. Interpret und Liedtitel sind keine taugliche Grundlage der Identifikation der Berechtigten. Ausführende Künstler wären gut beraten, die Zustimmung zu Remastern mit Klauseln zu verbinden, die ihnen den Fortbestand ihrer Rechte sichern. Die meisten Musiker und Sänger haben die dafür notwendige Verhandlungsmacht aber nicht.
Das Verfahren heißt ABS Entertainment v. CBS Corporation und ist am US-Bundesbezirksgericht des Central District of California anhängig. Die Aktenzahl lautet 2:15-cv-06257-PA. Die Kläger betreiben mehrere ähnliche Klagen parallel, etwa gegen CBS vor dem Bundesbezirksgericht des Southern District of New York (1:2015-cv-06801), sowie gegen die Radiobetreiber Cumulus Media (2:15-cv-06269-PA) und iHeartMedia (2:15-cv-06252-PSG) im Central District of California. (ds)