USA: Auslandsüberwachung trifft auch US-Bürger

Die US-Verfassung gewährt Ausländern keinen Schutz gegen willkürliche staatliche Überwachung. Ein Durchsuchungsbefehl ist nicht erforderlich. Nun trifft das auch US-Bürger, die mit Ausländern in Kontakt stehen.

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Großer Christbaum auf öffentlichem Platz

An diesem Platz in Portland, Oregon, wollte ein junger Islamist 2010 eine Bombe zünden. Geld, Bombenattrappe und Instruktionen hatte er vom FBI.

(Bild: Steve Morgan CC BY-SA 3.0)

Lesezeit: 4 Min.
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Das Logo des in der Regel geheim tagenden Gerichts FISC verschweigt den Namen des Gerichts.

Nach Abschnitt 702 des US-Bundesgesetzes Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) dürfen US-Behörden außerhalb der USA lebende Ausländer ("non-US persons") ohne konkreten Verdacht weltweit überwachen. Die Spione brauchen dafür nur eine Genehmigung des eigens geschaffenen Geheimgerichts FISC.

Ein Durchsuchungsbefehl, der Verdachtsmomente voraussetzt, ist nicht erforderlich. US-Behörden dürfen auch Zufallserkenntnisse verwerten. Das wendet sich nun auch gegen US-Bürger: Kommunizieren Inländer mit Ausländern, sind die Inländer laut einem aktuellen Urteil ebenfalls ungeschützt.

So sehen es ein Bundesgericht aus Oregon und dessen übergeordnetes Bundesberufungsgericht (Ninth Circuit). Es hat vergangene Woche einstimmig die Verurteilung von Mohamed Osman Mohamud zu dreißig Jahren Haft bestätigt. Bürgerrechtler halten die Entscheidung für einen Fehler, weil sie US-Behörden eine Hintertür zur Überwachung des eigenen Volks öffne. Auch manche Juristen kritisieren das Urteil; es beruhe auf irriger Auslegung früherer Urteile aus anderen Verfahren.

Der 1991 geborene US-Bürger und Islamist Mohamud aus Oregon schrieb 2009 E-Mails an eine außerhalb der USA aufhältige Person, deren E-Mails ein US-Dienst mitlas. Daraufhin erwirkten Ermittler einen Überwachungsbeschluss auf Grundlage des FISA gegen Mohamud. In der Folge setzte das FBI mehrere verdeckte Ermittler auf Mohamud an, die ihn zu Straftaten anstiften sollten.

Im zweiten Anlauf gelang es einem FBI-Duo, Mohamud in die Falle zu locken: Sie gaben sich als Islamisten aus und statteten Mohamud mit Geld, einer Bombenattrappe und logistischer Anleitung aus. Der junge Mann wählte das Anzünden des öffentlichen Christbaums in Portland, Oregon, als Ziel. Im November 2010 parkte er in Begleitung der verdeckten FBI-Agenten einen Wagen mit der Bombenattrappe neben der Menschenmenge und versuchte, die vermeintliche Bombe fernzuzünden. Daraufhin wurde er verhaftet und 2013 verurteilt.

Laut FISA muss die Anklage es offenlegen, wenn sie für ihre Ermittlungen Informationen herangezogen hat, die auf Grundlage des FISA erworben wurden. Dieser Pflicht kam die Anklage aber erst nach Verurteilung Mohamuds nach, wenngleich vor Verhängung des Strafmaßes. Also beantragte die Verteidigung eine neuerliche Anhörung. Sie möchte erreichen, dass die auf Grundlage der FISA-Überwachung erlangten Informationen vom Verfahren ausgeschlossen werden.

Damit stößt sie aber sowohl beim Bundesbezirksgericht als auch bei der Berufungsinstanz auf taube Ohren. Noah Feldman, Rechtsprofessor an der Harvard Law School, erklärte das in der Radiosendung Bloomberg Law so: "Wenn Sie kein US-Amerikaner sind, und sich außerhalb der USA befinden, sind Sie vom Recht nicht geschützt. Die Regierung kann Sie belauschen. Was diesen Fall signifikant macht, ist, dass es nicht nur um Kommunikation zwischen Nicht-Amerikanern außerhalb der USA geht. Es geht um Kommunikation von US-Bürgern in den USA, die von der US-Regierung im Landesinneren aufgezeichnet wurde."

Solange das eigentliche Ziel ein Ausländer außerhalb der USA ist, seien ebenfalls abgefangene E-Mails von US-Amerikanern "beiläufig" ("incidental"). "Und weil sie beiläufig waren, dürfen sie [laut dem Urteil] ohne Durchsuchungsbefehl [ausgewertet werden], ohne den Vierten Zusatzartikel der Verfassung zu verletzen", sagte Feldman.

Der 4. Zusatzartikel der US-Verfassung im handschriftlichen Original

Niemand bestreite, dass US-Behörden E-Mails von Amerikanern an Ausländer im Ausland aufzeichnen dürften, erläuterte Feldman. Die Frage sei, ob Überwacher diese E-Mails lesen und Ermittlungen gegen US-Bürger einleiten dürfen, oder ob sie zuerst einen Durchsuchungsbefehl brauchen.

Das höchste US-Gericht, der Supreme Court, könnte das Urteil aufheben. Doch wird es sich mit der Materie wahrscheinlich nur befassen, sollten verschiedene Bundesberufungsgerichte in ähnlichen Fällen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Der Verurteilte wird daher wohl versuchen, das Berufungsgericht des Ninth Circuit selbst dazu zu bewegen, seine Meinung zu ändern.

Das geht theoretisch über eine erweiterte Richterbank ("en banc") mit neun statt drei Richtern. Solche Anhörungen werden sehr selten gewährt, im Neunten Gerichtsbezirk aber häufiger als anderswo. Mohamuds Nachteil ist, dass er als antisemitischer Islamist, der sich darauf freute, möglichst viele US-Bürger zu ermorden und zu verletzen, kein Richterherz erwärmen kann.

(ds)