FBI warnt vor Verschwörungstheorien als neuer Terrorgefahr

Beim FBI werden einige Verschwörungstheorien als Bedrohung eingestuft, die Menschen zu Gewalt anstiften könnten. An der Analyse gibt es Kritik.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 127 Kommentare lesen
USA: FBI warnt vor Verschwörungstheorien als neue Terrorgefahr

(Bild: EQRoy/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Bei der US-Bundespolizei werden abseitige Verschwörungstheorien erstmals als inländische terroristische Bedrohung eingestuft. Das geht aus einem im Mai intern verschickten Dokument hervor, das von Yahoo News nun öffentlich gemacht wurde.

Darin werden "inländische Extremisten, die von Verschwörungstheorien angetrieben werden", als wachsende Gefahr bezeichnet und das erstmals beim FBI, wie es in der Analyse heißt. Darin werden verschiedene Verschwörungstheorien benannt und in die Themenbereiche "regierungsfeindlich", "identitätsbasiert" und "abseitig politisch" eingeordnet.

In der Analyse werden eine Reihe von Straftaten und versuchten Straftaten aufgezählt, bei denen die Täter beziehungsweise die Verdächtigen Verschwörungstheorien als Begründung angegeben hatten. Dabei geht es unter anderem um einen Terroranschlag auf eine Synagoge mit 11 Todesopfern, einen Mord an einem US-Grenzbeamten, eine Vorbereitung eines Bombenanschlags und Todesdrohungen an den Vater eines Kindes, das bei einem Anschlag auf eine Grundschule umgebracht wurde.

Die Autoren des Berichts halten es für "logisch", dass Verschwörungstheorien in Zeiten des Internets mehr empfängliche Menschen erreichen und diese dann kriminelle oder gewalttätige Aktionen durchführen – auch wenn sie insgesamt nicht neu seien. Gleichzeitig gebe es dank des Internets einen Effekt des "Crowdsourcings", bei dem Anhänger einer Verschwörungstheorie diese durch eigene Informationen erweitern, verändern oder um eine lokale Komponente ergänzen können. Deswegen erwarten sie eine Ausbreitung solcher Theorien und eine Zuspitzung vor allem zu Zeiten von Wahlen wie etwa 2020.

Joe Uscinski von der Universität Miami, der sich mit Verschwörungstheorien beschäftigt und in der FBI-Analyse zitiert wird, kritisiert einige der darin genannten Schlussfolgerungen. Es gebe absolut keine Beweise, dass die Menschen heute stärker an Verschwörungstheorien glaubten, sagte er Yahoo News. Sie würden aber mehr mediale Aufmerksamkeit bekommen. Und wir hätten einen Hang dazu, die Vergangenheit zu verklären und Verschwörungstheorien zu vergessen. Uscinski erinnert daran, dass in die US-Unabhängigkeitserklärung der Vorwurf geschrieben sei, der König von England habe eine Tyrannei über die Kolonien errichten wollen.

Kritik an der Analyse kommt auch von Michael German, der früher beim FBI gearbeitet hat und nun für das Brennan Center for Justice tätig ist. Er sagt, das Dokument basiere auf einer Theorie zur Radikalisierung, die längst widerlegt sei. Die US-Bundespolizei gehe davon aus, dass wenn jeder Täter aus einer bestimmten Gemeinschaft komme, müsse diese Gemeinschaft überwacht werden. Am Ende stehe dann aber immer mehr Massenüberwachung.

Der Historiker David Garrow ergänzt gegenüber dem US-Nachrichtenportal, diese Einschätzung gehe weit in die FBI-Geschichte zurück, denn dort sehe man Ideologie als zentralen motivierenden Faktor für Individuen, nicht aber die psychische Gesundheit. Er glaubt nicht, dass viele von uns vorhersagen könnten, welche "skurrile" Theorie jemanden zu Gewalt verleitet und welche nicht. Würde man einige der aufgeführten Täter als Extremisten oder nicht eher als geistesgestört bezeichnen, fragt er.

Nate Snyder wiederum, der unter US-Präsident Barack Obama im Department of Homeland Security gearbeitet hat, stimmt demnach der FBI-Analyse zu, fragt sich aber, was die US-Regierung zu tun gedenke: Alle oder fast alle Analysten, die sich in seiner ehemaligen Behörde mit inländischen extremistischen Gruppen beschäftigten, seien unter Donald Trump entlassen worden. (mho)