Ukraine: 3D-Scans helfen bei Rekonstruktion beschädigter historischer Gebäude

Der französische Ingenieur Emmanuell Durand erstellt 3D-Laserscans von Gebäuden, die bisher im Ukraine-Krieg zerstört wurden, um sie virtuell zu rekonstruieren.

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(Bild: Tomas Ragina/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Der französische Ingenieur Emmanuel Durand hat es sich zur Aufgabe gemacht, historische Gebäude in der vom Krieg gebeutelten Ukraine virtuell zu erhalten, wie France Info Culture am Montag berichtet. Dazu setzt er einen 3D-Scanner ein, um noch intakte sowie bereits beschädigte Gebäude, die zum ukrainischen Kulturgut gehören, digital zu erfassen.

Mit einem 3D-Laserscanner, der schwenkbar ist, erfasst Durand betroffene Gebäude. Dazu stellt er den Scanner an verschiedenen Positionen innerhalb und außerhalb des Gebäudes auf. Etwa 500.000 Punkte pro Sekunde können so digital gescannt werden. Je nach Position sind es mehrere Millionen Punkte, wie das Beispiel einer historischen Feuerwache von 1887 in der ostukrainischen Stadt Charkiw zeigt. Sie war im Zuge des russischen Angriffskriegs bei Luftangriffen teilweise stark beschädigt worden.

"An dieser Position werden wir 10 Millionen Punkte erfassen. Dann wechseln wir die Position und scannen das gesamte Gebäude ab, außen wie innen. Eine Milliarde Punkte ...", sagt Durand. Aus den einzelnen Datenpunkten entsteht dann am Computer ein virtuelles Abbild des Gebäudes, das zahlreiche Details offenbart, wie etwa Granateinschläge und andere Beschädigungen. Bis auf 5 mm genau sei die virtuelle Kopie des Gebäudes, die am Computer von allen Seiten betrachtet und wie bei einem Computertomografen in Scheiben zerlegt werden kann.

Mithilfe der virtuellen Gebäudekopie können selbst strukturelle Schäden am Gebäude erkannt werden, die möglicherweise die Statik beeinträchtigen. Daraus könne geschlossen werden, ob und wie das Gebäude später wieder restauriert werden kann. Aus den Daten lässt sich das ursprüngliche Gebäude rekonstruieren, sodass nachvollzogen werden kann, welche Schäden durch die Waffeneinwirkungen entstanden sind.

Allein ist Durand, der Spezialist für 3D-Datenerfassung ist, dabei nicht. Ihm stehen Architekten, Ingenieure und Experten für 3D-Erfassung sowie eine Museumsdirektorin zur Seite, wie France Info Culture berichtet. Geld erhält Durand für seine Arbeit nicht. Er arbeitet ehrenamtlich.

Die historische Feuerwache ist dabei nur eines von rund 500 historischen Gebäuden, die als Kulturgut erhalten werden sollten. Eine Fachkommission hat mehr als einhundert Gebäude allein in Charkiw ausgemacht, die durch russische Angriffe beschädigt worden sind, landesweit seien es mehr als 350, heißt es vom Kulturministerium. Das bedeutet viel Arbeit für Durand und die Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die sich nicht nur in Charkiw, sondern auch in Kiew, in Tschernihiw im Norden und Lwiw im Westen um den Erhalt historischer Stätten bemühen.

Die Architektin Katerina Kuplyzka, die Mitglied der begutachtenden Fachkommission ist, hebt die Bedeutung dieser Arbeit hervor: Es sei wichtig, den derzeitigen Zustand der beschädigten Gebäude genau festzuhalten, denn Charkiw steht weiterhin unter russischem Beschuss. Es ist zu befürchten, dass die Gebäude weitere Schäden erfahren, sodass sie nicht mehr rekonstruierbar sind. Unwetter würden ihr Übriges tun, um den Zustand noch schneller zu verschlechtern, schreibt France Info Culture.

Dabei sei es wichtig, zusätzlich die noch unbeschädigten historischen Gebäude zu erfassen, bevor sie teilweise oder ganz zerstört werden. Die Arbeit von Durand und den weiteren Expertinnen und Experten schätzt Kuplyzka sehr, denn es geht nicht nur um die Rekonstruktion und später den Wiederaufbau der Gebäude. Zusätzlich können die Schäden genau dokumentiert werden, um sie in Strafprozessen gegen Russland anzuführen. "Im ganzen Land sehen wir schwere Schäden an unserem Kulturerbe. Das ist ein Genozid am ukrainischen Volk und ein Genozid an der ukrainischen Kultur", sagte sie und spricht laut France Info Culture von "Kriegsverbrechen".

Rund zwei Tage haben Durand und sein Team an der 3D-Erfassung der historischen Feuerwache gearbeitet. Das nächste Ziel ist das Gebäude der Wirtschaftsfakultät der nationalen Karasin-Universität in Charkiw. Es stammt aus zaristischer und später sowjetischer Zeit, nun ist es Opfer von Angriffen russischer Streitkräfte geworden. Durands Arbeit ist nach dem 3D-Scan dieses Gebäudes aber nicht abgeschlossen. Er wird dann zur nächsten historischen Stätte aufbrechen und weiter zum Erhalt des ukrainischen Erbes beitragen.

(olb)