Ukraine: Atomkraftwerk Saporischschja offenbar vorĂĽbergehend nicht am Netz
Das ukrainische Atomkraftwerk wurde offenbar eine Zeitlang nicht von extern mit Strom versorgt. Dieselgeneratoren sorgten fĂĽr Notstrom.
Die Lage um das von Russland besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja hat sich dieser Tage offenbar zugespitzt. Das AKW sei am Donnerstag komplett abgeschaltet worden, nachdem die Stromversorgung unterbrochen wurde, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Ansprache. Die Verbindung zum Stromnetz sei durch russischen Beschuss beschädigt worden.
Am Freitagmorgen seien alle sechs Reaktoren des AKW heruntergefahren worden, schreibt der ukrainische Betreiber Energoatom. Der Strombedarf des Kraftwerks werde ĂĽber eine Leitung des ukrainischen Stromnetzes gedeckt, die repariert worden sein. Momentan werde daran gearbeitet, zwei Reaktoren wieder hochzufahren und ans Netz anzuschlieĂźen. Ein Reaktor werde zurzeit wieder hochgefahren, heiĂźt es aus der Ukraine.
Die deutsche Gesellschaft für Reaktorsicherheit schreibt auf Grundlage von Meldungen der ukrainischen Atomaufsicht, am Donnerstag sei die letzte intakte 750-kV-Hochspannungsleitung an dem AKW durch Brände beschädigt worden, die Stromanbindung sei dabei zweimal unterbrochen worden. "Block 5 wurde komplett, Block 6 zunächst auf Eigenbedarf, bei der zweiten Unterbrechung auch komplett heruntergefahren", schreibt die GRS. Zurzeit sei die Stromversorgung über eine 330-kV-Leitung zum benachbarten Wärmekraftwerk sichergestellt.
Katastrophe droht, sagt der ukrainische Präsident
Nachdem die Versorgung des AKW von außen unterbrochen wurde, seien die Dieselgeneratoren für die Notstromversorgung sofort aktiviert worden, berichtet Selenskyj. Wenn dies nicht geschehen wäre und das AKW-Personal nicht sofort reagiert hätte, wäre es zu einer Katastrophe gekommen. Die ukrainische Atomaufsicht SNRIU ergänzt, Projektile hätten die Verbindung zwischen Reaktor 2 und einem Nebengebäude getroffen, in der radioaktive Abfälle behandelt werden. Dort seien Wasserleitungen und die Kommunikationsleitung beschädigt worden.
Atomkraftwerke erzeugen zwar selbst Strom, sie müssen aber unter anderem für die Kühlung des Brennmaterials mit Strom von außen versorgt werden. Im März 2011 fiel beispielsweise nach einem Erdbeben und Tsunami im japanischen Fukushima Daiichi die externe und die Notstromversorgung aus, schließlich kam es zu Kernschmelzen.
IAEA soll schneller handeln
Damit ähnliches in der Ukraine nicht passiert, müsse die internationale Gemeinschaft mehr Druck auf Russland ausüben, meint Selenskyj. Dabei kritisiert er die Internationale Atomenergiebehörde IAEA dafür, sie handele zu langsam.
Dessen Generalsekretär Rafael Mariano Grossi hatte sich diese Woche in Istanbul mit russischen Vertretern getroffen. Diese hatten Kooperation zugesagt, eine Inspektion könne aber nur stattfinden, wenn die militärische Lage es zulasse. Russland beschuldigt die Ukraine, selbst das AKW Saporischschja zu sabotieren. Russische Truppen hätten das AKW Anfang März besetzt, um es zu schützen. Mittlerweile kursieren in der ohnehin unübersichtlichen Nachrichtenlage Bericht, Russland wolle das AKW Saporischschja vom ukrainischen Netz ab und ans russische ankoppeln.
(anw)