Ukraine-Krieg: Ex-Kommandant will Russland aus ISS-Kooperation drängen

Terry Virts ist 2015 mit einer russischen Raumkapsel zur ISS geflogen und war dort Kommandant. Nun fordert er, die Kooperation beim Betrieb zu beenden.

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Virts in der Kuppel der ISS

(Bild: NASA)

Lesezeit: 4 Min.

Der NASA-Astronaut und ehemalige ISS-Kommandant Terry Virts plädiert dafür, Russland aus der Kooperation zum Betrieb der Internationalen Raumstation auszuschließen. In einem Meinungsartikel bei dem US-Magazin The Hill schreibt er, die "wenigen verbleibenden Vorteile" der Zusammenarbeit würden die Kosten nicht mehr aufwiegen. Die NASA solle deswegen rasch eigene Möglichkeiten bereitstellen, die Raumstation im All zu steuern und gleichzeitig die Arbeit mit der russischen Weltraumagentur Roskosmos auf das absolute Minimum herunterfahren. Noch könne man die gemeinsame Arbeit nicht komplett beenden, gesteht er ein.

Das Training westlicher ISS-Crews in Russland sollte auf Notfallprozeduren begrenzt werden, die Aufenthalte der Russen in Houston müssten analog verkürzt werden, fordert Virts. Die NASA dürfe keine Plätze auf Sojus-Raketen mehr buchen und mit den SpaceX- und Boeing-Kapseln auch keine Russen zur ISS bringen. Auf der Station selbst sollten die Kontakte auf das notwendigste beschränkt werden und bei der Durchführung von Experimenten beziehungsweise der Wartung der russischen Module sollte keine Hilfe mehr geleistet werden. Ziel müsse es sein, Russland aus der Partnerschaft zu drängen.

Diese Vorschläge klängen drakonisch, räumt Virts ein, aber Russlands Präsident Wladimir Putin habe auf der Erde und im Weltall längst die rote Linie überschritten. Dessen Land nutze die ISS als Propagandainstrument, während auf der Erde tausende unschuldige Ukrainer und Ukrainerinnen umgebracht sowie weltweit wirtschaftliche Verheerungen angerichtet würden. Dabei bezieht er sich als aktuellen Anlass auf eine Aktion dreier russischen Kosmonauten, die auf der ISS mit Flaggen der gewaltsam in der Ukraine eingerichteten Volksrepubliken Luhansk und Donezk posiert haben.

Die drei Russen hätten gezeigt, dass sie den blutigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine unterstützen. Virts verweist auch auf Drohungen des Roskosmos-Chefs Dmitri Rogosin, der geprahlt habe, dass Russland Atomwaffen herstellen würde, die gegen den Westen eingesetzt werden könnten. Auch mit dem ISS-Absturz hat er gedroht. Welchen Vorteil sollte die ISS-Kooperation aber noch bringen, wenn das Land die Raumstation nutzen würde, um "Putins Krieg" zu unterstützen und Europa sowie den USA mit Nuklearattacken drohen würden, fragt Virts. Russland vergleicht er noch mit dem Dritten Reich: Auch mit wohlmeinenden deutschen Forschungskollegen hätte man doch 1941 keine Arktis-Expedition durchgeführt, wenn diese Deutschlands Angriffe unterstützt hätten.

Der Astronaut, der mit einer Sojus-Kapsel und einem Space Shuttle geflogen ist und 2015 Kommandant der ISS war, erinnert noch daran, dass China die Kooperation beim Betrieb der Raumstation verwehrt worden ist. Grund sei das "ungeheuerliche autoritäre Verhalten in Bezug auf die Menschenrechte und der Diebstahl geistigen Eigentums" gewesen. Klar sei doch, wenn man heute neu anfangen würde, würde man Putins Russland auch nicht als Partner einladen. Jetzt müsse man die Sache eben so nehmen, wie sie ist.

Ob Virts mit seinem Plädoyer eine Debatte über die Kooperation beim Betrieb der ISS auslöst, ist noch unklar. Ansätze dazu gibt es seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine immer wieder, die NASA hatte sich aber dagegen verwahrt. Gegenwärtig können nur regelmäßige Manöver von Triebwerken am russischen Segment der ISS einen Absturz verhindern. Gleichzeitig ist das russische Segment auf Elektrizität vom US-Pendant angewiesen. Außerdem sind die russischen Lebenserhaltungssysteme alt und unzuverlässig, sollten die Schotten geschlossen werden, könnte das für den russischen Teil zum Problem werden. Jeder dieser Punkte hat aber immer Folgen für die gesamte Station, alle Teile sind ja fest miteinander verbunden. Bis auf die ISS-Kooperation wurde die Zusammenarbeit zwischen dem Westen und Russland in der Raumfahrt schon vor Monaten weitestgehend beendet.

(mho)