Ukraine-Krieg: Russische Truppen ziehen aus Sperrzone des AKW Tschernobyl ab

Ukrainisches Personal soll wieder die Kontrolle über das stillgelegte AKW haben. Auch eine Stadt nahe Tschernobyl sollen russische Soldaten verlassen haben.

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Block 4 des AKW Tschernobyl mit "New Safe Confinement", der sich über dem kurz nach der Explosion im April 1986 errichteten "Sarkophag" befindet.

(Bild: ChNPP)

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Russische Streitkräfte haben offenbar die Sperrzone rund um das stillgelegte Atomkraftwerk Tschernobyl in der Nordukraine verlassen. Die ukrainische Regierung habe sie darüber informiert, dass die Russen die Kontrolle über die Anlage an das ukrainische Personal übergeben habe, teilte die Internationale Atombehörde IAEA mit.

Zwei Konvois mit russischen Soldaten sollen Tschernobyl in Richtung Belarus verlassen haben, heißt es in einer Mitteilung. Ein dritter Konvoi habe Slavutych verlassen. In der Stadt, die etwa 50 km nordöstlich von Tschernobyl liegt und erst kürzlich von russischem Militär besetzt wurde, wohnen viele Mitarbeiter des stillgelegten AKW.

Derartige Beobachtungen hat auch das US-amerikanische Verteidigungsministerium nach eigenen Angaben gemacht. Von dort hieß es am gestrigen Donnerstag, es könne aber keine Angabe zu der Zahl der russischen Soldaten machen, die an den Truppenbewegungen teilnehmen. Noch sollen sich Russen in Tschernobyl befinden, die Ukraine gehe aber davon aus, dass auch diese den Standort verlassen werden, teilte die IAEA mit.

Die Internationale Atombehörde mochte keine Berichte bestätigen, laut denen russische Soldaten in Tschernobyl radioaktiv kontaminiert wurden. Es lägen ihr nicht ausreichend Berichte vor, um die Informationen bestätigen zu können. Es wurde berichtet, die Soldaten seien bei Erdarbeiten verstrahlt worden und würden in Belarus behandelt.

Wolfram König, Präsident des deutschen Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), fordert in einem Interview mit der Journalistenplattform Riffreporter, weltweit allen Atomanlagen Schutz gegen Kriegsrisiken abzuverlangen. "Wir erleben erstmalig, dass in einem Krieg Nuklearanlagen unmittelbares Ziel von Angriffen sind – eine Situation, für die Anlagen weder bei uns noch in der Ukraine vollständig ausgelegt sind. Das ist sehr beunruhigend", sagte König.

Jeder bewaffnete Angriff auf Atomanlagen, die friedlichen Zwecken dienen, und jede Bedrohung für sie bedeute einen Verstoß gegen die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, des Völkerrechts und der Satzung der IAEA, sagte der BASE-Präsident. Diese Regeln habe Russland nun gebrochen. "Die Szenarien, über die wir jetzt nachdenken müssen, entstammen der Sphäre der militärischen Nutzung von Kernenergie im Gegensatz zur zivilen Nutzung. Da wurde jetzt eine Schwelle überschritten." IAEA-Generaldirektor Rafael Mariano Grossi ist nach seinem Besuch in der Ukraine nach Kaliningrad weitergereist, um sich dort mit russischen Vertretern zu treffen.

(anw)