Ukraine-Krieg: UN-Atombehörde besorgt über die Belegschaft im AKW Tschernobyl

Seit der Einnahme des stillgelegten Atomkraftwerks in Tschernobyl durch russisches Militär hat die Belegschaft dort nicht gewechselt. Das sorgt die IAEA.

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Der 1986 explodierte Block 4 des AKW Tschernobyl mit Schutzhülle.

(Bild: IAEA)

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Die Belegschaft im stillgelegten Atomkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine ist seit der Einnahme durch russisches Militär unverändert geblieben; es verrichten immer noch dieselben Mitarbeiter, die bei der Einnahme auf Schicht waren, ihren Dienst. Das teilte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) mit. Ihr Generaldirektor Rafael Mariano Grossi sorgt sich daher zunehmend über das Wohlergehen der Mitarbeiter in Tschernobyl und darüber, ob sie weiterhin ihre Arbeit sicher und effektiv ausführen können.

Das AKW Tschernobyl mit seinen vier Reaktoren ist seit dem Jahr 2000 wegen Sicherheitsmängeln komplett stillgelegt und seit 1986 wegen radioaktiver Verstrahlung nach einer Kernschmelze und Explosion in Block 4 eine Sperrzone. In verschiedenen Einrichtungen befänden sich dort "erhebliche Mengen" an Kernmaterial in Form von abgebrannten Brennelementen und radioaktiven Abfällen, schildert die IAEA.

Die ukrainische Atomaufsicht SNRIU habe der IAEA versichert, dass sie weiterhin in Kontakt sei mit dem Standort Tschernobyl. Das Personal dort erfülle weiter seine Aufgaben. Seit dem 24. Februar, dem Beginn der russischen Invasion, seien dort keine Arbeiten mit Kernmaterial vorgenommen worden.

"Es ist von größter Bedeutung, dass die Mitarbeiter des AKW-Spezialunternehmens Tschernobyl ihre Arbeit sicher und effektiv erledigen können, und dass ihr persönliches Wohlbefinden von denen garantiert wird, die die Kontrolle übernommen haben", sagte Grossi. Das gelte auch für die aktiven vier Atomkraftwerke mit insgesamt 15 Reaktoren. Die Mitarbeiter dort müssten unbedingt in der Lage sein, ihre Sicherheitsaufgaben zu erfüllen, ohne dabei unter Druck zu stehen. Jede militärischen Aktivitäten, die die Sicherheit der AKW gefährden könnten, seien zu vermeiden.

Die Atomaufsicht SNRIU habe der IAEA mitgeteilt, dass sie weiterhin mit den Atomkraftwerken der Ukraine in Kontakt sei. Die Strahlungswerte seien an allen Standorten normal geblieben, es gebe keine Berichte über nukleare oder radiologische Vorfälle. Von den 15 Reaktoren der Ukraine waren mehr als die Hälfte mit voller Kapazität in Betrieb, während andere planmäßig gewartet oder "in Reserve" gehalten wurden. Wenn alle Reaktoren laufen, werden mit ihnen mehr als die Hälfte des Stroms in der Ukraine erzeugt.

Für die IAEA ist für die Atomkraftwerke unabdingbar, dass sie sicher extern mit Strom versorgt werden. Die logistischen Lieferketten und Transporte zu und von den Standorten dürften nicht unterbrochen werden. Die Strahlungsmesssysteme dürften auf keinen Fall gestört werden.

Die Mitgliedstaaten der IAEA – darunter auch Russland und die Ukraine – liefern Daten aus Messstationen direkt an das International Radiation Monitoring Information System (IRMIS). Am 1. März sei der Kontakt zum AKW Saporischschja abgebrochen, schreibt die IAEA. Zu dem Zeitpunkt waren russische Streitkräfte zu dem größten AKW der Ukraine vorgedrungen. Die SNRIU habe versichert, dass die Unterbrechung nicht auf militärische Operationen zurückgegangen sei, sondern auf einen technischen Fehler. Momentan werde die Ursache gesucht.

In Tschernobyl waren vorige Woche kurz nach Beginn des russischen Angriffs erhöhte Strahlungswerte registriert worden, die vermutlich durch Truppenbewegungen verursacht wurden. Am Montag wurde berichtet, dass eine Anlage für schwach radioaktive Abfälle von einer Rakete getroffen wurde. Ein ähnlicher Vorfall wurde am Tag vorher aus der umkämpften Stadt Charkiv gemeldet.

(anw)