Ukraine: Russische Truppen nähern sich angeblich nächstem Atomkraftwerk

Zwei AKW in der Ukraine sind bereits in russischer Hand, nun sei russisches Militär auf dem Weg zum dritten, sagt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.

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Atomkraftwerk Juschnoukrajinsk (Südukraine).

(Bild: Вальдимар auf Wikimedia, CC BY-SA 3.0)

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Russische Streitkräfte nähern sich nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj dem Atomkraftwerk Juschnoukrajinsk, auch AKW Südukraine genannt. Es liegt etwa 120 Kilometer nördlich von Mykolajiw. Das sagte Selenskyj am Samstag laut dpa in einer Videokonferenz mit US-Senatoren und Abgeordneten.

Mykolajiw ist eine von mehreren Städten, die die russischen Streitkräfte einzukesseln versuchten. Das AKW Südukraine besteht aus drei Druckwasserreaktoren sowjetischer Bauart mit jeweils einer Nettoleistung von 950 MW.

Unter russischer Kontrolle steht bereits das Atomkraftwerk Saporischschja in Enerhodar im Südosten des Landes. Es ist mit seinen sechs jeweils 950 MW leistenden Reaktoren das größte Atomkraftwerk Europas. Auch die Anlage in Tschernobyl, die zwar nicht aktiv ist, aber immer noch besetzt und gewartet wird, wurde von russischen Truppen erobert. Danach wurden dort vorübergehend erhöhte Strahlungsmesswerte registriert, offenbar ausgelöst durch Truppenbewegungen.

Ein russischer Beschuss hatte in einem Ausbildungsgebäude am AKW Saporischschja einen Brand ausgelöst, der gelöscht werden konnte, ohne dass Strahlung freigesetzt wurde. Das Gebäude steht getrennt von den sechs Reaktoren, es sei erheblich beschädigt worden, teilte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) am Samstag mit. Die technischen Sicherheitssysteme seien intakt und die Strahlungswerte in der Anlage in Saporischschja nach Angaben der ukrainischen Atomaufsicht normal. Zwei der sechs Reaktoren seien in Betrieb. Die Ukraine verfügt über vier Atomkraftwerke mit insgesamt 15 Reaktoren.

IAEA-Generaldirektor Rafael Mariano Grossi wies erneut darauf hin, dass die Belegschaft und die Wachen in Tschernobyl seit dem 23. Februar dort ohne Unterbrechung arbeiteten. Es sei enorm wichtig, dass sich das Personal ausruhen und wechseln darf, um die Arbeit sicher ausführen zu können. Die angespannte Situation in Saporischschja dürfte nicht mehr lange dauern, der Leiter des Betreibers Energoatom habe mitgeeilt, dass die Schicht dort wechseln dürfe. In Bereichen von Atomkraftwerken dürften auf keinen Fall Granaten abgefeuert werden.

Gemeinsam mit der Betreiberin Energoatom und dem Energieministerium hat sich die ukrainische Atomaufsicht SNRIU an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gewandt. Darin fordern sie die Einrichtung einer Überwachungsmission an den kerntechnischen Anlagen der Ukraine, berichtet die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit.

Selenskyj forderte in der Telefonkonferenz Sanktionen gegen die russische Energiebranche, wie der republikanische Senator Lindsey Graham mitteilte. Die USA müssten Strafmaßnahmen gegen den russischen Öl- und Gassektor verhängen, sagte der Präsident und unterstützte auch die Idee eines Verbots russischer Ölimporte in die USA. "Alles, was der russischen Wirtschaft schaden könnte, hilft dem ukrainischen Volk und kann diesen Krieg für den russischen Präsidenten Wladimir Putin schwieriger machen", sagte Graham in einem Video.

Der ukrainische Präsident forderte die Teilnehmer der Konferenz auch auf, den Zugang zu den Kreditkartensystemen von Visa und Mastercard in Russland zu sperren, wie aus Teilnehmerkreisen verlautete. An diesem Wochenende haben die beiden Unternehmen ihren Betrieb in Russland eingestellt.

(anw)