Umstrittener Patriot Act teilweise verfassungswidrig

Das FBI darf Internet-Provider künftig nicht mehr durch die Vorlage so genannter National Security Letter zur Herausgabe von Nutzerinformationen zwingen und sie unter Strafandrohung zur Geheimhaltung verpflichten.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Der umstrittene Patriot Act, ein Gesetz, das US-amerikanischen Ermittlungsbehörden weitreichende Befugnisse bei der Verfolgung und Überwachung von möglichen Terroristen und Straftätern zubilligt, ist teilweise verfassungswidrig. Ein Bundesrichter entschied am gestrigen Mittwoch, dass die Bundespolizei FBI gegen das im ersten Verfassungszusatz garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung verstößt, wenn sie Internet-Provider durch Vorlage so genannter National Security Letter (NSL) zur Herausgabe von Nutzerinformationen zwingt und die ISPs dabei unter Strafandrohung zur Geheimhaltung verpflichtet.

Die American Civil Liberties Union (ACLU) hatte schon im April dieses Jahres den US District Court in New York angerufen, weil ein von ihr vertretener ISP ebenso wie andere als Empfänger eines solchen National Security Letter dem FBI nicht nur vertrauliche Kundeninformationen -- gewählte Telefonnummern, verfasste E-Mails oder besuchte Web-Seiten etwa -- zur Verfügung stellen musste, sondern sich auch verpflichten musste, die Existenz des NSL gegenüber jedermann zu verschweigen. Da seit Verabschiedung des Patriot Act im Jahr 2001 zudem kein Gerichtsbeschluss mehr für die Ausstellung von NSLs nötig war, argwöhnte die ACLU, das FBI habe sich damit quasi einen Freibrief zum Schnüffeln geschaffen. Schätzungen zufolge erstellt das FBI im Jahr bis zu 500 NSLs.

Richter Victor Marrero folgte den Ausführungen der Bürgerrechtler: NSL-Empfänger hätten normalerweise keine Chance, sich gegen die Anordnungen des FBI zu wehren. Durch die Verpflichtung zur Verschwiegenheit werde ihnen nicht nur Möglichkeit genommen, juristische Beratung in Anspruch zu nehmen, der Maulkorb verstoße auch gegen das First Amendment der Verfassung. Zudem sei das Missbrauchpotenzial sehr hoch: "Theoretisch kann das FBI mit einem National Security Letter IT-Personal anweisen, alle E-Mail-Adressen herauszufischen, die auf Servern politischer Parteien gespeichert sind. Oder die Agenten weisen einen ISP an, die Identität eines Bloggers festzustellen, nur weil dieser sich in einem Beitrag kritisch über die Regierung geäußert hat", gab der Richter zu bedenken.

Marreros Anweisung an das FBI, den verfassungswidrigen Einsatz von NSLs zu stoppen, tritt allerdings erst in 90 Tagen in Kraft, bis dahin hat die US-Regierung Zeit, gegebenenfalls Einspruch gegen die Entscheidung einzulegen Obwohl dieser Termin lange nach den Präsidentschaftswahlen Anfang November ansteht, könnte sich die Patriot-Act-Schlappe für US-Präsident George W. Bush schon im Wahlkampf als Bumerang erweisen, hatte er doch erst vor kurzem auf einer Wahlveranstaltung in Derry, New Hampshire, verkündet: "Jede Handlung, die eine Behörde auf Basis des Patriot Act vornimmt, muss zuvor von einem Gericht genehmigt werden". Was im Fall des FBI und seinen NSLs offensichtlich so nicht ganz stimmt. (pmz)