Und wenn der Mensch ein Mensch ist: Holpriger Start für den ePass
Nicht "normgerecht" aussehende Menschen haben die ersten Erfahrungen gemacht, was es heißt, wenn sich der Mensch an die Technik anpassen muss: Sie mussten die "Lichtbildbelehrung" bei den Biometrie-Pässen unterzeichnen.
Der mit digital gespeicherten biometrischen Merkmalen ausgestattete Reisepass, von seinen Betreuern kurz ePass genannt, kann seit zwei Tagen bestellt werden. Nicht normgerecht aussehende Menschen haben die ersten Erfahrungen gemacht, was es heißt, wenn sich der Mensch an die Technik anpassen muss, und die entsprechende "Lichtbildbelehrung" unterzeichnet.
Es gibt Menschen mit asymmetrischen Gesichtern. Menschen, bei denen die Nase schief sitzt oder der Augenabstand und die Mundgröße für Außenstehende fast schon grotesk wirken. Solche Menschen fallen aus dem Raster heraus, das die Techniker der Bundesdruckerei zu einer Foto-Mustertafel verdichtet haben. Obwohl sie womöglich von professionellen Fotografen nach den Regeln der Mustertafel fotografiert wurden, stimmen ihre Grundvoraussetzungen einfach nicht. Darum müssen sie ab dem 1. November diese "Lichtbildbelehrung" unterschreiben (Fettdruck wie im Original):
"Hiermit bestätige ich, dass ich von der Ausweisbehörde über die Qualität/Beschaffenheit meines vorgelegten Lichtbildes belehrt wurde.
Ich bestehe auf Annahme dieses Lichtbildes durch die Passbehörde.
Entstehende Schadensersatzansprüche, wegen Abweisung an einer Landesgrenze oder auf Grund polizeilicher Identitätsvorstellungen, kann ich gegenüber der Passbehörde nicht geltend machen. Die Kosten für einen neuen Ausweis habe ich voll zu tragen."
Hilflos unterschrieb beispielsweise heise-online-Leser Hadmut Danisch diese ihm abverlangte Erklärung mit dem Zusatz: "Ich erkläre, dass meine Nase nun einmal schief ist!" Tatsächlich verunsichert der drohende Ton der Lichtbildbelehrung Antragssteller, die mit korrekt fotografierten Bildern auf den Ämtern auflaufen und dann abgelehnt werden, weil Augen und Nase von den vorgegebenen Normen abweichen.
Nicht wenige Antragssteller glauben offenbar, mit ihrer Unterschrift unter die Lichtbildbelehrung einen wertlosen Pass zu bekommen. Das ist aber falsch, wie der Jurist Thilo Weichert, Leiter des unabhängigen Datenschutzzentrums Schleswig Holstein, gegenüber heise online ausführte: "Die abverlangte Unterschrift hat aus meiner Sicht keine rechtliche Bedeutung. Sie ändert jedenfalls am Dokumenten- und Urkundencharakter der Passes nichts. Sie ist meines Erachtens eher Ausdruck eines in Deutschland leider immer noch viel zu weit verbreiteten bürokratischen Extremismus. Wen andere Staaten in ihr Land lassen, unterliegt ohnehin ausschließlich der Verantwortung der dortigen Grenzbehörden."
Der Jurist Gerrit Hornung, der mit seinem Buch "Die digitale Identität" das Standardwerk über die neuen biometrischen Ausweise geschrieben hat, erklärte die Belehrung gegenüber heise online so: "Vermutlich hat sich jemand Gedanken gemacht, wie man mit dem Problem umgeht, dass Bilder im Grenzbereich liegen können, also weder sicher geeignet noch sicher ungeeignet sind. Die Belehrung ist dann wohl als Absicherung gegen staatshaftungsrechtliche Ansprüche gedacht. Der Pflicht, bei Auslandsreisen einen Reisepass bei sich zu führen, korrespondiert nämlich ein subjektiver Anspruch des Bürgers, vom Staat einen (funktionsfähigen – das war bislang aber nicht problematisch) Reisepass zu erhalten. Darüber gibt es zumindest beim Personalausweis eine entsprechende Rechtsprechung. Die Passämter (oder die Bundesdruckerei) versuchen wohl, aus diesem Primäranspruch möglicherweise resultierende sekundäre Haftungsansprüche abzuwehren, die aus Verzögerungen/Abweisungen an der Grenze oder Neuproduktion des Passes resultieren können."
Ob die Lichtbildbelehrung ausreicht, ist eine interessante Frage, die erst dann beantwortet werden kann, wenn ein Passinhaber klagt, weil er mit dem neuen Pass Nachteile erlitten hat. Bis dahin müsste die Empfehlung an die Antragsteller gehen, mit möglichst vielen Fotos beim Beantragen des Reisepasses aufzutauchen, unter denen der Sachbearbeiter ein passendes Foto aussucht. Denn nur der Sachbearbeiter prüft, ob das Foto in Ordnung ist: die Bundesdruckerei ist lediglich die ausliefernde Stelle, die aus dem vor Ort eingescannten Antragsformular einen Pass produziert.
Deutschland ist bisher das einzige Land, in dem jedermann die Fotos mitbringen kann, die für den biometrisch abgesicherten Pass benötigt werden. In Großbritannien wie in der Schweiz sollen biometrische Erfassungsstellen (Enrollment Center) errichtet werden, in denen ausgebildetes Personal die Fotos (und später die Fingerabdrücke) produziert. Ursprünglich gab es für Deutschland Pläne, dass der Antragssteller eines neuen Reisepasses eine Nummer bekommt, die er einem autorisierten Fotografen vorlegen sollte. Dieser sollte das produzierte Foto mit der Nummer und seiner eigenen Kennung digital signieren und verschlüsselt der Behörde übermitteln. Dieser Plan wurde als zu kompliziert verworfen. Nun gibt es Pläne, Fotoautomaten in den Behörden aufzustellen, die direkt mit der Datenbank der Passbehörden verbunden sind. Dies bestätigte Gerhard Niederhoff vom Automatenhersteller Fotofix gegenüber heise online.
Eine Stellungnahme des Bundesinnenministeriums steht noch aus. Die Fachleute sind noch dabei, die Lichtbildbelehrung juristisch zu bewerten. (Detlef Borchers) / (jk)