Unfallchirurgie-Chefarzt fordert Unfallregister für E-Stehroller

Viele Unfälle mit E-Scootern verursachen Kopfverletzungen, eine Helmpflicht wäre gut. Dafür bräuchte es erst einmal mehr Daten, meint Christian Alexander Kühne.

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Helm auf zum Rollen – ein Bild aus einer Kampagne des Deutschen Verkehrssicherheitsrats. Vermutlich rollt dieser Mann auf einem Radüberweg, so sollte es sein.

(Bild: DVR)

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Menschen, die mit einem E-Stehroller verunglücken, sind meist um die 30 Jahre alt und männlich. Das schließt Christian Alexander Kühne, Chefarzt der Klinik für Unfall- und Handchirurgie in der Hamburger Schön-Klinik, aus der von ihm angelegten Kartei über Verletzungen durch solche Unfälle; nur sehr wenige Unfallopfer sind unter 20. Seine Kartei enthält 145 Unfälle aus zwei Hamburger Kliniken, der Schön-Klinik und der Asklepios-Klinik St. Georg, wo Kühne bis 2020 Chefarzt war, wie er der Zeit schilderte.

Bei neun von zehn Verletzten gibt es laut Kühne keine Fremdeinwirkung. Sie seien auf nasser Fahrbahn oder auf Laub ausgerutscht, hätten das Gleichgewicht verloren, wollten einen Bordstein hochfahren und seien dabei gestürzt. "Zusammenstöße mit Autos sind selten – was kaum überrascht, die meisten Stehroller-Fahrer sind ja häufig auf Bürgersteigen unterwegs", schildert Kühne.

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Jeder fünfte Verletzte sei alkoholisiert unterwegs gewesen. Im Vergleich zu den Zahlen verunglückter Radfahrer sei das ein hoher Anteil, dort liege die Zahl der Fahrer unter Alkoholeinfluss im einstelligen Bereich. In mehr als 40 Prozent der von Kühne erfassten Unfälle wurde der Kopf verletzt, Abschürfungen oder Platzwunden, aber auch Schädel-Hirn-Traumata oder Frakturen des Gesichtsschädels.

Die Unfälle hätten sich vorwiegend zwischen 16 und 22 Uhr ereignet, nicht zur typischen Arbeitszeit, erläutert Kühne. Die meisten Roller stünden in innerstädtischen Bereichen und würden genutzt, um von einem Geschäft zum nächsten zu fahren. Oder um nach einer Party eine Runde zu drehen.

Dass sich die Zahl der E-Stehroller-Unfälle in Hamburg 2021 gegenüber dem Vorjahr verdreifacht habe, verwundert Kühne nicht. Die E-Stehroller würden noch immer unterschätzt, sie hätten andere Reifen, ein anderes Bremsvermögen, der Gewichtsschwerpunkt liegt woanders, einhändig balanciere es sich nicht so leicht, zumal bei den Geschwindigkeiten, die die Roller erreichen könnten.

In einer Studie der Universität Essen wurde kürzlich festgestellt, dass mehr Menschen mit E-Stehrollern verunglücken als in der offiziellen Statistik erfasst. Die Autoren der Essener Unfallchirurgie empfehlen eine Helmpflicht für die E-Stehroller. Kühne ergänzt dazu, er verstehe nicht, wie Menschen ohne Helm Roller fahren können, zumal gerade Kopfverletzungen so häufig seien. Allerdings würden noch viel mehr Daten benötigt, daher plädiert Kühne für ein bundesweites Mobilitätsregister: "Wenn wir schon die Verkehrswende planen, sollten wir auch die Risiken mitbedenken. Wie teilen wir den Straßenraum auf, welche Alternativen zum Auto sind sinnvoll? Um die Debatte zu versachlichen, müssen wir mehr wissen."

Allerdings dürften die Daten von Krankenhauspatienten nicht einfach so erfasst und wissenschaftlich ausgewertet werden. Studien müssten häufig erst von der zuständigen Ethikkommission geprüft und genehmigt werden. In das Schwerverletztenregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie gingen zwar Daten aus 700 deutschen Kliniken ein, aber die Sammlung sei auch sehr aufwendig und durch Datenschutzvorgaben stark reglementiert. Durch eine Unfallkartei könnten nach Kühnes Meinung wichtige Erkenntnisse über Verletzungsrisiken gewonnen, die Unfallversorgung verbessert werden.

E-Stehroller im öffentlichen Verkehr (76 Bilder)

Seit dem 15. Juni 2019 sind Elektro-Stehroller, auch E-Tretroller oder E-Scooter genannt, auf öffentlichen Straßen in Deutschland zugelassen. Schon wurden die ersten in deutschen Städten gesichtet.
(Bild: Lime)

(anw)