"Unmittelbare Gefahr für Menschenleben": Cloudflare blockiert Hetzforum
Cloudflare hat einem berüchtigten Onlineforum den Schutz vor DDoS-Attacken entzogen. Wenige Tage vorher hatte das US-Unternehmen genau das noch ausgeschlossen.
Das US-Unternehmen Cloudflare hat ein besonders berüchtigtes Onlineforum namens Kiwi Farms blockiert und dem nicht nur den hauseigenen Schutz vor DDoS-Angriffen entzogen. "Wir glauben, dass es sich um einen beispiellosen Notfall handelt und eine unmittelbare Bedrohung für Menschenleben vorliegt", begründete Cloudflare-CEO Matthew Prince den Schritt in einem Blogeintrag. Wer die Seite aufruft, sollte lediglich einen Hinweis angezeigt bekommen, nicht aber das Forum selbst.
Kehrtwende von Cloudflare
Damit begründet Prince eine deutliche Kehrtwende, denn noch Mitte der vergangenen Woche hatte er in einem ausführlichen Beitrag begründet, warum sein Unternehmen keinen Internetportalen mehr die Verträge kündigen wolle. Dann habe man aber eine "außergewöhnliche" und "gefährliche" Entscheidung treffen müssen, mit der man sich nicht wohlfühle. Dem waren öffentliche Forderungen an Cloudflare vorausgegangen, diesen Schritt zu vollziehen. Diese Kampagne sei für den Schritt aber nicht ausschlaggebend gewesen, versichert Prince.
Kiwi Farms ist seit 2013 online und wurde von einem ehemaligen Moderator des Imageboards 8chan gegründet. Wie US-Medien erläutern, hat es sich in den vergangenen Jahren zu einem Sammelplatz für Angriffe auf Menschen entwickelt, die sich als LGBTQIA+ identifizieren. Dort werden demnach regelrechte Hasskampagnen gegen sie organisiert, Adressen publik gemacht, bösartige Gerüchte gestreut und Familien sowie Freunde attackiert. Immer wieder würden auch Polizeieinsätze gegen die Opfer organisiert, das sogenannte Swatting. Sogar mehrere Selbstmorde von Opfern dieser Angriffe werden Kiwi Farms zugeschrieben.
Auf der Flucht vor einem Forum
Das Forum und der Schutz, den Cloudflare ihm vor DDoS-Angriffen bietet, war nun in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, nachdem die US-Nachrichtenseite NBC News das Schicksal von Clara Sorrenti (Keffals) öffentlich gemacht hat. Die Twitch-Streamerin hatte demnach transfeindliche Gesetzgebung in den USA kritisiert und war so ins Visier der Forennutzer geraten. Die hätten ihr nicht nur mit einer in ihrem Namen verbreiteten Gewaltandrohung die Polizei auf den Hals gehetzt, sogar die Polizisten, die eine Untersuchung angekündigt haben, seien bedroht worden. Nicht einmal durch eine Flucht nach Europa habe sich die Kanadierin den Angriffen entziehen können.
Cloudflare versichert nun, Kiwi Farms den hauseigenen Schutz nicht wegen der mit diesen Geschehnissen verbundenen Kampagne entzogen zu haben. Es heißt lediglich, dass die Rhetorik auf Kiwi Farms in den vergangenen 48 Stunden eskaliert sei, genauso wie spezifische, gezielte Bedrohungen. Deswegen habe man reagieren müssen. Mehr ins Detail geht das US-Unternehmen nicht, gesteht aber ein, dass das Problem damit nicht gelöst sein dürfte. Der Nachrichtenagentur AP zufolge hat Kiwi Farms inzwischen zu dem russischen Dienstleister DDoS-Guard gewechselt.
Große Macht von Cloudflare
Für Cloudflare ist die Debatte um den Schutz anstößiger, gewaltverherrlichender oder belästigender Seiten nicht neu. Das US-Unternehmen hat 2017 der Neonazi-Seite "The Daily Stormer" den DDoS-Schutz entzogen, 2019 folgte dann 8chan. Cloudflare-Chef Prince hat erklärt, dass es falsch sei, dass er über so viel Macht verfügt, denn die Seiten verschwanden danach aus dem Internet und waren nur noch äußerst mühselig abzurufen. Vergangenen Mittwoch hatte Prince noch erklärt, dass in der Folge deutlich mehr autokratische Regimes gefordert hätten, dass Cloudflare humanitären Organisationen die Verträge kündigt, oft unter Berufung auf die Begründungen, die Cloudflare selbst in den beiden Einzelfällen gegeben hatte. Deshalb sollte dem eigentlich kein weiterer folgen.
(mho)