Urheberrecht: ORF-Nachrichten gelten als kommerziell

Sendet der öffentlich-rechtliche ORF ein fremdes Video, kann er sich nicht auf eine "non-commercial"-Lizenz berufen. Das bestätigt der Oberste Gerichtshof.​

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Das ORF-Logo am Eingang zur ORF-Zentrale am KĂĽniglberg in Wien

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk gilt in Österreich nicht nur wettbewerbsrechtlich, sondern auch urheberrechtlich als "kommerziell". Und das auch bei seinen Nachrichtensendungen. Das bestätigt der Oberste Gerichtshof (OGH) des Landes in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung von Ende August (4 Ob 125/24x). Anlass ist, dass der Österreichische Rundfunk (ORF) ein fremdes Video über Pfeffersprayeinsatz der österreichischen Bundespolizei gegen Demonstrierende in Nachrichtensendungen gezeigt hat; der Urheber hatte sein Video unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC 4.0 online gestellt.

NC steht für Englisch "non-commercial", zu Deutsch "nicht kommerziell". Also erlaubt diese Lizenz, das Werk unentgeltlich auch in bearbeiteter Form zu vervielfältigen und weiterzuverbreiten, sofern das nicht für kommerzielle Zwecke geschieht. Außerdem müssen angemessene Urheber- und Rechteangaben gemacht ("BY"), ein Verweis auf die Creative-Commons-Lizenz (CC) beigefügt und Angaben über etwaige Bearbeitungen gemacht werden.

Der ORF sendete Ausschnitte des Videos sowie einen Screenshot, ohne den Urheber zuvor zu kontaktieren. Zudem stellte die Rundfunkanstalt Berichte mit dem Video auf ihrer Website zum Abruf bereit und veröffentlichte Artikel über den Polizeieinsatz samt Video, mit dem Screenshot als Aufmacherbild. Genannt wurde der Urheber nur teilweise. Der ORF leistete keine Lizenzzahlung an den Urheber, der daraufhin Klage erhob. Er forderte Unterlassung und gut 5.000 Euro.

Der ORF verlor in erster Instanz und berief. Die zweite Instanz reduzierte zwar die Zahlung auf lediglich 2.020 Euro, bestätigte aber Rechtsverstoß und Unterlassungsanordnung (Oberlandesgerichts Wien vom 22. Mai 2024, GZ 1 R 184/23w-22). Daraufhin wollte der ORF den österreichischen Obersten Gerichtshof für eine Revision des Urteils gewinnen.

Der OGH weist den Antrag mangels erheblicher Rechtsfrage zurück, hält aber dennoch Grundsätzliches zum Urheberrecht fest: "Dass die Vorinstanzen dem Beklagten – insbesondere mit Blick auf seine Stellung als größten Medieninhaber Österreichs und seiner Eigenschaft als Werbeträger – Geschäftsinteressen auch bei der Erstellung von Nachrichtensendungen unterstellten, weshalb das Video des Klägers vom Beklagten "kommerziell" genutzt worden sei, ist jedenfalls vertretbar. Das Ergebnis der Vorinstanzen korrespondiert hier auch mit der lauterkeitsrechtlichen Rechtsprechung, wonach der beklagte Rundfunk – insbesondere wegen seiner Finanzierung durch den Verkauf von Werbezeiten und Programmentgelten – im Wettbewerb mit anderen Medienunternehmen steht (vgl zB 4 Ob 56/97g)."

In dem erwähnten wettbewerbsrechtlichen Fall gelang es dem ORF 1997, dem damals aus der Slowakei sendenden, kommerziellen Radio CD International zu verbieten, Printwerbung mit "Schwarzhörer willkommen!" zu schalten. Der ORF kann mit kommerziellen Privatsendern aber nur dann in Wettbewerb stehen, wenn er auch selbst kommerziell tätig ist. Insofern erweist sich der juristische Erfolg gegen Radio CD spät, aber doch, als Bumerang.

Im aktuellen Fall versuchte der ORF außerdem, sich auf das Zitatrecht (Paragraph 42f UrhG) sowie auf Paragraph 42c UrhG zu stützen. Letzterer gestattet, "Werke, die bei Vorgängen, über die berichtet wird, öffentlich wahrnehmbar werden, in einem durch den Informationszweck gerechtfertigten Umfang" zu vervielfältigen und zu verbreiten. Das betrifft beispielsweise im Hintergrund auftauchende Werke wie Fototapeten, oder wenn Demonstrierende ein Lichtbild in die Kamera halten – nicht aber ein Werk, das selbst die Berichterstattung ist. Den Antrag des ORF auf ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) lehnt der OGH ebenfalls ab, "weil die Auslegung des Paragraphen 42c UrhG einen den Nationalstaaten eingeräumten Spielraum betrifft."

Und das Zitatrecht erfordert Auseinandersetzung mit dem zitierten Werk: "Ein Zitat darf nicht zu dem Zweck gebraucht werden, das Werk um seiner selbst willen der Allgemeinheit zur Kenntnis zu bringen." SchlieĂźlich scheitert der ORF auch mit seinem Ansinnen, den zu zahlenden Geldbetrag weiter reduzieren zu lassen.

(ds)