Urteil: Innenministerium muss Twitter-Direktnachrichten nicht herausgeben

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass nach dem Informationsfreiheitsgesetz kein Anspruch auf Einsicht in informelle Kommunikation besteht.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 13 Kommentare lesen

(Bild: Wachiwit/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der amtierende Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) muss zunächst nicht mehr befürchten, dass über Twitter-Direktnachrichten des Ressorts Interna nach außen dringen. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am Donnerstag geurteilt, dass es nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) keinen Anspruch auf Einsicht in entsprechende Chats gibt, solange diese keinen offiziellen Charakter haben. Allerdings bleiben so womöglich auch Verwaltungsprozesse etwa rund um die Bundespolizei geheim, die das Ministerium über solche nicht-öffentlichen Kommunikationsformen abwickeln könnte.

Auf die Herausgabe geklagt hatte FragDenStaat. Die Macher des Transparenzportals argumentierten, dass das Bundesinnenministerium (BMI) inzwischen mit einem immer größer werdenden Team professionell per Twitter kommuniziere. Dies zeige auch dessen Hausanordnung zur Social-Media-Nutzung. Es dürfe nicht sein, dass Regierungs- und Behördenvertreter "bestimmte Prozesse dauerhaft auf private Plattformen wie Twitter, Facebook oder WhatsApp verlagern". Sonst landeten viele Absprachen gar nicht mehr in offiziellen Akten der Behörden und würden so IFG-Anfragen entzogen.

In dem seit drei Jahren geführten Streit ging es um Twitter-Direktnachrichten aus dem BMI zwischen 2016 und 2018. In diesem Zeitraum habe das Ministerium die Chatfunktion "für informelle Kommunikation genutzt", erklären die Leipziger Richter. Diese habe unter anderem Terminabsprachen, Danksagungen für Bürgerhinweise etwa auf Tipp- und Verlinkungsfehler oder Fragen von Journalisten nach zuständigen Personen umfasst. Die Botschaften würden nicht vom BMI selbst gespeichert, auch wenn sie für dieses weiter über das soziale Netzwerk abrufbar seien.

Das Innenressort hatte einen Auskunftsanspruch zunächst verneint, da nicht-öffentliche Twitter-Nachrichten "rechtlich irrelevante Korrespondenz mit der Social-Media-Redaktion des Ministeriums" seien. Direktnachrichten komme keine Aktenrelevanz zu, es handle sich nicht um offizielle amtliche Informationen.

Das Verwaltungsgericht Berlin hatte der Klage auf Akteneinsicht im vorigen Jahr in erster Instanz stattgegeben. Es legte den Begriff amtlicher Auskünfte weit aus und fasste darunter nur solche Kommunikation nicht, die ausschließlich privaten Zwecken dient. Das Vorliegen einer Information in einer Akte sei nicht ausschlaggebend.

Das BMI wandte sich daraufhin per sogenannter Sprungrevision direkt ans BVerwG. Es hatte zuvor angedroht, den Kommunikationskanal der Twitter-Direktnachrichten "für die Zukunft zu schließen". Die Leipziger Richter wiesen die Klage jetzt zurück. Sie urteilten zwar, dass einschlägige Chats prinzipiell dem Informationsfreiheitsgesetz unterfallen könnten (Az.: BVerwG 10 C 3.20). Zugleich stellten sie aber klar: "Bei Nachrichten, die wie hier aufgrund ihrer geringfügigen inhaltlichen Relevanz keinen Anlass geben, einen Verwaltungsvorgang anzulegen, ist dies jedoch nicht der Fall."

Amtliche Informationen setzten voraus, heißt es beim BVerwG, "dass ihre Aufzeichnung amtlichen Zwecken dient". Der Gesetzgeber verlange mit dieser Definition "eine bestimmte Finalität der Aufzeichnung". Nicht nur die Information selbst müsse offiziellen Zwecken dienen, "sondern gerade ihre Aufzeichnung". Das BMI habe bei der Speicherung durch die Twitter aber "keinen amtlichen Zweck beigegeben". Ein solcher sei auch vor dem Hintergrund der Registraturrichtlinie der Bundesministerien und den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Aktenführung nicht ersichtlich.

Das Urteil reihe sich ein "in eine lange Liste von behördenfreundlichen und informationsfreiheitsfeindlichen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts", kritisiert Arne Semsrott von FragDenStaat den Beschluss. Informationen müssten demnach offenbar nur dann herausgeben werden, wenn sie "relevant" sind. In diesem Fall hätten die Richter alle Direktnachrichten nicht dieser Kategorie zugeordnet, obwohl sie deren Inhalte im Detail gar nicht gekannt hätten. FragDenStaat will nun die Urteilsbegründung abwarten und dann prüfen, "wie wir die Entscheidungsgründe für weitere Verfahren nutzen können – und ob wir Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil einreichen".

(mho)