VE-GmbH: Neue Rechtsform für eine bessere Welt gefordert

Unternehmen und Wirtschaftsexperten wollen die neue Rechtsform Verantwortungseigentum. Die verwehrt den Inhabern den Zugriff auf das Firmenvermögen.

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(Bild: Peshkova/Shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg
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Plastikbecher von Recup sollen die Müllberge kleiner machen. Die Geschäftsidee des Start-ups ist einfach, aber wirksam gegen das bislang bequeme Verhalten beim Coffee to go: Ist der Becher leer, wird er weggeschmissen. 2,8 Milliarden Wegwerfbecher sind es laut Umweltbundesamt jährlich, plus 1,3 Milliarden Deckel. "Dieser Müll lässt sich mit unserer Idee vermeiden", sagt Florian Pachaly, einer der beiden Gründer von Recup. Das Unternehmen will Einwegbecher abschaffen mit einem Pfandsystem für Mehrwegbecher. Ein Euro beträgt das Pfand.

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Anfang 2017 wurde Recup als GmbH gegründet. "Diese Form passt aber nicht zu unserer Geschäftsidee, weil es uns nicht primär darum geht, Gewinne zu machen", sagt Pachaly. Die Gründer wollen schon Geld mit ihrer Firma verdienen – aber in Maßen und zugleich das Müllproblem bekämpfen. Eine Gesellschaft für Verantwortungseigentum, kurz VE-GmbH genannt, könnte beiden Ansprüchen gerecht werden.

Mit einer solchen Gesellschaftsform wollen Unternehmen wie Recup sicherstellen, dass ihre Firma im Sinne der Gründung weitergeführt wird, sich Nachfolger an die gesetzten Firmenziele halten und Geldgeber diese akzeptieren. Ein Unternehmen ist in dieser Rechtsform nicht mehr Eigentum der Inhaber im klassischen Sinn und Gewinne dürfen nur noch in sehr begrenztem Maße entnommen werden. Sie müssen größtenteils im Unternehmen bleiben und in die Zukunft der Firma investiert werden.

"Eine VE-GmbH ist eine sinnvolle Idee, weil sie Unternehmen die Möglichkeit gibt, im Interesse der Gesellschaft zu agieren", sagt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW. Das sind Unternehmen, die ökonomisch, ökologisch und sozial arbeiten wollen.

Jedes Unternehmen muss Gewinne machen, muss produktiv und erfolgreich sein, um im Markt bestehen zu können. Das ist Teil des Wettbewerbs in einer Marktwirtschaft und das gilt selbstverständlich auch für eine VE-GmbH. "Die Schaffung dieser Rechtsform ist eine Erweiterung der Freiheiten und Möglichkeiten von Unternehmen im Interesse der Gesellschaft", sagt Fratzscher. Er findet, dass Firmen diese Option gegeben werden sollte.

Der DIW-Präsident geht sogar so weit zu sagen, dass "eine VE-GmbH unsere Welt besser machen kann". Deshalb engagiert er sich in der Stiftung Verantwortungseigentum, die sich für eine solche Unternehmensform starkmacht. "Gesellschaftliches Interesse und ein Unternehmen erfolgreich managen sind kein Widerspruch", sagt Fratzscher. Die Geschäftsform VE-GmbH verknüpft beides und drückt nach außen hin aus: Wir wollen genau das!

Sie vereint, wofür Recup angetreten und darin erfolgreich ist. "Wir haben schon 5100 Partner, bei denen man unsere Becher mitnehmen und zurückgeben kann", sagt Pachaly. Das sind Bäckereien, Bio-Supermärkte wie Alnatura und mit der Tankstellenkette von Shell kam in diesem Jahr der weitaus größte Kooperationspartner dazu. Die Becher sind aus Kunststoff, ähnlich Tupperware. Bruchsicher und leicht, bis zu 1000mal verwendbar und einfach zu recyceln. Schon nach 10 bis 15 Gebräuchen haben sie eine bessere Öko-Bilanz als Einwegbecher. Mit dem zweiten Produkt, Schalen für Food to go, hat Recup erst angefangen.

"Wir haben ein nachhaltiges Wachstum und können den gesamten Markt in Deutschland bedienen, aber Wachstum ist kapitalintensiv", sagt Pachaly. Für einen großen Teil der Wagniskapitalgeber sind sie wegen ihrer Idee der Rechtsformumwandlung uninteressant. Andererseits kommen Geldgeber mit der hauptsächlichen Prämisse der kurz- bis mittelfristigen Vermögensmaximierung für Recup nicht in Frage. Dem Start-up geht es um ein Gleichgewicht aus dem Zweck des Unternehmens und einer sinnvollen Rendite. Das schränkt die Auswahl an Investoren stark ein.

Auf die Idee mit der VE-GmbH kamen die beiden Recup-Gründer nach einem Vortrag zu dieser Rechtsform von Armin Steuernagel, einem der geschäftsführenden Vorstände der Stiftung Verantwortungseigentum, die 2019 gegründet wurde. Gut 30 Unternehmen haben sich in der Stiftung zusammengetan, weil sie gemerkt haben, wie schwer es ist, Verantwortungseigentum umzusetzen.

"Die Rechtsformen der AG und GmbH und all die anderen sind wichtig, aber es braucht auch für Verantwortungseigentum eine passende Rechtsform. Mehr Vielfalt und Wettbewerb kann uns allen nur nützen", sagt Steuernagel. An der VE-GmbH sind Firmen interessiert, die nicht gründen, weil sie auf den lukrativen Exit aus sind, die als Start-up nicht Millionen einsammeln wollen, um mit dem Fremdkapital ihre Selbstbestimmung zu verlieren.

In einer VE-GmbH geben Gründer vorab das Versprechen, dass ihre Firma kein Projekt ist, das zeitlich befristet ist. Sie versprechen, selbstständig zu bleiben und dem Unternehmen inhaltlich verbunden zu bleiben. Kunden und Mitarbeitern gibt das eine langfristige Sicherheit. Die Stiftung als Rechtsform ist inhaltlich ähnlich einer VE-GmbH.

"Die Form der Stiftung passt einfach nicht für junge Unternehmen, Start-ups und deren Anliegen. Firmen müssen gegründet, geschlossen, verändert werden können", sagt Steuernagel. Dafür sind Stiftungen nicht gedacht. Mitunter ist das aber notwendig, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern wie in unserer digitalen Welt, die manche Geschäftsmodelle radikal verändert. Dänemark ist übrigens das einzige Land, in dem es eine solche Rechtsform gibt, dort gehört sie aber zu den wichtigsten Unternehmensformen.

Anfang Oktober übergab die Stiftung Verantwortungseigentum einen von rund 600 Befürwortern unterzeichnet Brief an Vertreter der Politik, in dem sie die Einführung der Rechtsform VE-GmbH fordern. "Die Chance, dass unser Vorschlag umgesetzt wird, ist gut, denn wir haben zahlreiche Unterstützung aus allen Parteien der Politik", sagt Fratzscher. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sowie der Bundesverband mittelständische Wirtschaft wollten sich zur Rechtsform Verantwortungseigentum nicht äußern.

Aktuell führen Pachaly und sein Partner Gespräche mit Finanzgebern, die das Wachstum von Recup finanzieren sollen. Überraschenderweise sind manche gegenüber der neuen Rechtsform ziemlich aufgeschlossen.

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