Verfassungsschutz: Ausspähen kritischer Infrastruktur hierzulande zu einfach

Deutsche Firmen und Behörden stellen zu viele Informationen zu Strom-, Gas- und Breitbandleitungen ins Internet, warnt der Verfassungsschutz vor Sabotage.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 12 Kommentare lesen
Abstract,Glowing,Particle,Wavy,Surface,With,Germany,Flag,German,Flag

(Bild: muhammadtoqeer/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Saboteure und ausländische Geheimdienste haben in Deutschland leichtes Spiel, da Staat und Gesellschaft Details über kritische Infrastrukturen (Kritis) wie Digital-, Strom- und Gasnetze freizügig ungeschützt ins Internet stellen. Davor warnt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung. Online-Veröffentlichungen etwa zu Schwachstellen, Knotenpunkten und sogar Notfallabläufen böten häufig sehr genaue Angaben, die für Angriffe und Anschläge auf einschlägige Anlagen verwertbar seien.

Der Inlandsgeheimdienst appelliert dem Artikel zufolge daher an Unternehmen, Behörden und Industrieverbände, nicht mehr so viele Kritis-bezogene Daten, Präsentationen für Marktteilnehmer, Karten und Baupläne online verfügbar zu machen. Ausländische Geheimdienste, Terroristen und andere mögliche Saboteure suchten das Internet systematisch nach Information über die deutschen Netze für die Energie- und Breitbandversorgung ab. Sie hätten dabei oft leichtes Spiel, "Schwachstellen und damit Ansatzpunkte identifizieren, um physische und cybergestützte Sabotagehandlungen durchzuführen".

Am gefährlichsten schätzt es das BfV demnach ein, dass Unternehmen neben Standorte von Anlagen wie Mobilfunkmasten und Umspannwerken oder Trassenverläufen selbst detaillierte Handlungsanweisungen für Krisenfälle im Internet publizierten. Damit könnten Übeltäter etwa nach einem Anschlag Krisenpläne und darin festgelegte Abhilfemaßnahmen unterbrechen oder zumindest stören. BfV-Präsident Thomas Haldenwang hatte im Oktober bei einer Geheimdienstanhörung im Bundestag zu verstehen gegeben, dass vor allem von zwei Mächten die Sicherheit in Deutschland bedroht werde: "Russland ist der Sturm, China ist der Klimawandel."

Umstritten sind angesichts der aktuellen Lage auch gesetzliche Transparenzpflichten für Unternehmen, die angesichts des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine und anderer Bedrohungen komplett überdacht werden müssten. Dem Bericht nach will etwa die Deutsche Telekom einen Teil der verlangten Daten für den Infrastrukturatlas – der Übersichtskarte zum hiesigen Breitbandausbau in Form eines "Gigabitgrundbuchs" – nicht mehr liefern. Die zuständige Bundesnetzagentur soll die Kritik aber zurückgewiesen und erklärt haben, das "Spannungsfeld" zwischen dem Informationsbedürfnis der Marktakteure und der Öffentlichkeit einerseits und dem notwendigen Geheimhaltungsbedarf andererseits werde regelmäßig geprüft und bewertet.

Die Debatte ins Rollen gebracht hat neben den nach hundert Tagen noch nicht aufgeklärten Sabotageakten gegen die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee vor allem der Anschlag auf zwei Glasfaserkabelschächte der Deutschen Bahn im Oktober. Damit legten bislang unbekannte Täter den Zugverkehr in ganz Norddeutschland für Stunden weitgehend lahm. Der Fall erstaunte Sicherheitskreisen auch deshalb, weil nicht nur ein Kabel in Berlin, sondern auch die Ersatzleitung im 500 Kilometer entfernten Herne durchtrennt worden war. Möglicherweise waren gute Recherche oder Insiderwissen im Spiel. Die Bahn will daher die Netzkapazität ausbauen.

(mho)