Verfassungsschutz: Karlsruhe schränkt Weitergabe von Daten an die Polizei ein

Karlsruhe hatte bereits Bayerns Verfassungsschutzgesetz kassiert. Jetzt rügt das Gericht erneut die Aufweichung der Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten

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(Bild: Wirestock Images/Shutterstock.com)

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Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Die Weitergabe personenbezogener Daten durch die Verfassungsschutzbehörden an Strafverfolger in den Ländern verstößt in der aktuell praktizierten Form gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Laut einem am heutigen Donnerstag veröffentlichten Beschluss des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts verletzen die diesbezüglichen Bestimmungen des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) das Trennungsprinzip und sind unverhältnismäßig. Strengere Bestimmungen für die Übermittlungen werden sich auch auf die Speisung der Rechtsextremismus-Datei (RED) auswirken.

Paragraph 20 Abs. 1 Satz 2 des BVerfSchG regelt die Weitergabe von Personendaten durch die Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder an Polizei und Strafverfolgung. Eine solche Weitergabe ist nach Ansicht der Richter nur auf Basis strenger Anforderungen überhaupt zulässig. Der Gesetzgeber habe dabei aber geschlampt.

Einerseits sind nach Ansicht der Karlsruher Richter die Voraussetzungen, unter denen die Daten weitergegeben werden dürfen, nicht klar geregelt. Der vom Beschwerdeführer, einem im Münchner Prozess verurteilten NSU-Helfer, angegriffene Artikel erlaubt das Durchreichen persönlicher Daten auf der Basis langer Listen von Straftatbeständen im Gerichtsverfahrensgesetz (GVG).

Doch etwa die aufgeführten Staatsschutzvergehen des GVG (Landesverrat, Bildung einer terroristischen Vereinigung etc.) werden als besonders schwerwiegend klassifiziert, wenn die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich zieht. Solche Differenzierungen bei der Gewichtung der Schwere der Straftat unterschlägt das BverfSchG, so die Kritik im Beschluss.

Auch wenn Verweisungsketten üblich und nicht grundsätzlich zu beanstanden sind, darf der Gesetzgeber solche Unklarheiten nicht ins Gesetz einbauen.

Durch bloße Verweise auf die Listen verstoßen die Geheimdienste von Bund und Ländern bei der Weitergabe der Daten teilweise auch gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Denn die Straftaten in den herangezogenen Artikel 120 und auch 74 GVG fallen nicht unterschiedslos in die Kategorie "schwere Straftaten".

Gerade weil den Verfassungsschutzämtern aber sehr viel weitreichendere Mittel bei der Sammlung von Informationen zur Verfügung stehen, unterliegen die Übermittlungen gesteigerten Rechtfertigungsvorraussetzungen, mahnen die Karlsruher Richter.

Bei konkreter Gefahr können die Voraussetzungen dabei durchaus erfüllt sein, urteilten die Richter. Doch diese konkrete Gefahr müsse jeweils im Einzelfall sichergestellt werden.

Einmal mehr pochen die Verfassungsrichter mit ihrem Beschluss auf das Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Strafverfolgern. Dieses wurden in den vergangenen Jahren mehr und mehr aufgeweicht, gerade auch durch die gemeinsam genutzten Dateien wie die Antiterror-Datei und die Rechtsextremismus-Datei.

Auch im Urteil gegen das Bayerische Verfassungsgesetz stand der Verstoß gegen dieses informationelle Trennungsgebot mit im Zentrum. Weitere Verfassungsbeschwerden gegen Landesverfassungsschutzgesetze in Hessen und Hamburg sind noch anhängig und dürften diese Fragen ebenfalls ansprechen.

Für eine Novellierung der Übermittlungsbefugnisse im BVerfSchuG hat das Bundesverfassungsgericht dem mit seinen Sicherheitsgesetzen wenig verfassungsfesten Gesetzgeber eine Frist bis Ende 2023 eingeräumt.

Eine spannende Frage ist, was mit zu Unrecht übermittelten Personendaten passieren soll, die jetzt in der Rechtsextremismus-Datei gespeichert sind. Streng genommen müssten diese gelöscht werden, stellen sie doch einen fortgesetzten Grundrechtsverstoß dar.

(mho)