"Verheerende" und "irreversible" Folgen: ESO warnt erneut vor Industriekomplex

Eine detaillierte Analyse bestätigt die dramatischen Warnungen vor den Folgen eines industriellen Megaprojekts für Europas Astronomie-Leuchtturm.

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Ein Berg mit einem Teleskop, am Himmel ein Komet

Der Komet C/2024 G3 (ATLAS) hinter dem Paranal-Observatorium.

(Bild: F. Millour/ESO)

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Die Europäische Südsternwarte ESO hat ihre dramatische Warnung vor einem Industriekomplex in der Nähe des Paranal-Observatoriums in Chile erneuert und verweist dafür auf eine detaillierte technische Analyse. Die bestätigt demnach die Ergebnisse einer vorläufigen Studie und prognostiziert "verheerende" sowie "irreversible" Folgen, sollte das Megaprojekt gebaut werden dürfen. Die Lichtverschmutzung über einigen Observatorien würde dann um 35 beziehungsweise mehr als 50 Prozent zunehmen, zudem drohten verstärkte Luftturbulenzen. Außerdem könnten Vibrationen die Funktionsweise einiger Einrichtungen "ernsthaft beeinträchtigen".

Bei dem geplanten Megaprojekt handelt es sich um einen über 3000 Hektar großen Industriekomplex. Das entspricht dem Stadtteil einer großen Stadt, also etwa Garching bei München. Gebaut werden sollen dort laut ESO ein Hafen, Ammoniak- und Wasserstoffproduktionsanlagen sowie tausende Stromgeneratoren. Der dabei produzierte Staub werde sehr schädlich für die astronomischen Beobachtungen, warnte die Forschungseinrichtung schon im Januar. "Es ist von entscheidender Bedeutung, alternative Standorte für dieses Megaprojekt in Betracht zu ziehen, die einen der wichtigsten astronomischen Schätze der Welt nicht gefährden", meint Itziar de Gregorio, die ESO-Vertreterin in Chile.

Laut der jetzt vorgestellten detaillierten Analyse würde das Projekt namens "Inna" die Lichtverschmutzung am Very Large Telescope um mindestens 35 Prozent erhöhen und das, obwohl beide 11 km voneinander entfernt sind. Diese Zunahme sei mit den astronomischen Beobachtungen von Weltrang "unvereinbar". Die Lichtverschmutzung über dem nur 5 km von "Inna" entfernten Cherenkov Telescope Array Observatory (CTAO-Süd) würde sogar um mindestens 55 Prozent zunehmen. Zusammen mit anderen Einschränkungen, etwa durch Staub bei den Bauarbeiten und Vibrationen während des Betriebs, könnte das den Forschungsbetrieb empfindlich stören.

"Mit einem helleren Himmel schränken wir unsere Fähigkeit stark ein, erdähnliche Exoplaneten direkt zu erkennen, lichtschwache Galaxien zu beobachten und sogar Asteroiden zu überwachen, die unserem Planeten Schaden zufügen könnten", warnt de Gregorio jetzt und meint: "Zusammengenommen stellen diese Störungen eine ernsthafte Bedrohung für die aktuelle und langfristige Tragfähigkeit des Paranal als weltweit führendes astronomisches Zentrum dar, da sie zum Verlust wichtiger Entdeckungen über das Universum führen und den strategischen Vorteil Chiles in diesem Bereich gefährde."

(mho)