Vestager: Apples Sicherheitsbedenken wegen Sideloading per DMA sind Blödsinn

Die Durchsetzung des Digital Markets Act (DMA) gegen Big Tech werde ein langer Kampf, prophezeit Digitalkommissarin Vestager. Nutzer mĂĽssten Wahlfreiheit haben.

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(Bild: Ascannio/Shutterstock)

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Margrethe Vestager, die für Digitales zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission, hat sich auf lange Auseinandersetzungen mit Big-Tech-Konzernen rund um die Einhaltung des seit 28 Tagen voll greifenden Digital Markets Act (DMA) eingestellt. Auf Basis ihrer knapp zehnjährigen Erfahrungen im Wettbewerbsbereich könne sie sagen: "Das wird ein Kampf." Betroffene Unternehmen "werden ihre Geschäftsmodelle nicht einfach ändern", erklärte die Dänin am Mittwoch bei einer Anhörung zu dem neuen Wettbewerbsgesetz im Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments. Es handle sich aber um einen "zentralen Rechtsakt", den die Kommission auch gegen "kreative Formen der Umgehung" durchsetzen müsse.

Die Brüsseler Regierungsinstitution stufte zunächst 22 Dienste und Plattformen der Konzerne Alphabet (Google), Amazon, Apple, ByteDance (TikTok), Meta und Microsoft als "Torwächter" ein. Drei Dienste von Microsoft (Edge, Bing und die Anzeigentechnik) sowie iMessage von Apple hat sie nach Einwänden der beiden Gatekeeper wieder von dieser Liste genommen. Booking.com, X und ByteDance haben derweil Dienste angemeldet, die voraussichtlich noch hinzukommen. Die Kommission untersucht das bis spätestens September. Zugleich hat sie schon Ende März Prüfverfahren gegen Alphabet, Apple, Amazon und Meta eingeleitet, die binnen zwölf Monaten abgeschlossen werden sollen. Vestager sieht bereits anhand dieser Ermittlungen einen "starken Verdacht eines Fehlverhaltens".

Konkret geht es um die Bedienung von Google Play, die eigene Bevorzugung in der Google-Suche, Apples Regeln für den App Store und die Auswahl des Standard-Browsers sowie Metas Bezahlmodell und Amazons Ranking. Vestager räumte ein, dass die betroffenen Konzerne bereits viel und stark gegen den DMA und seine Durchsetzung kommunizierten, nachdem Abgeordnete auf regelrechte Kampagnen von Apple, Google & Co. gegen Teile der Vorschriften und eine Schlacht im Stile von David gegen Goliath aufmerksam machten. Die Ansagen etwa von Apple, dass das iPhone oder andere Geräte durch die Pflicht zum Sideloading beziehungsweise der Zulassung alternativer App Stores unsicherer werden könnten, seien aber "Blödsinn".

Zuletzt warnte Apples oberster Datenschützer, Gary Davis, vor noch nie gesehenen Angriffen, da die Kosten für iOS-Exploits sinken könnten. Vestager konterte nun, die erfassten Unternehmen "müssen ihre Systeme sicher gestalten und sich gleichzeitig an den DMA halten". IT-Security bleibe also eine wichtige Aufgabe gerade auch für Torwächter. Insgesamt habe der Gesetzgeber die Kommission mit einem guten Werkzeugkasten bestückt, um die Regeln durchzusetzen. Diesen gelte es nun auch voll anzuwenden. Dazu gehörten Sanktionen, die von hohen Geldstrafen bis zur Aufteilung eines Unternehmens reichten.

Die Kommission könne zwar kein Handbuch erstellen, was Verbraucher gerade auf ihrem Smartphone mit dem DMA alles anders machen könnten, meinte Vestager. Es gelte aber noch stärker publik zu machen, welche neuen Einstellungen sie treffen könnten. Sie persönlich habe einen neuen Browser installiert und ganz einfach als Standard gewählt, "den ich vorher noch nicht kannte". Der verhindere auch schon größtenteils automatisch, dass sie online getrackt werde. Generell akzeptiere sie Cookies in der Regel nicht. Alle EU-Bürger sollten nun ermutigt werden, etwa Tracking abzuwählen und über eigene Entscheidungen rund um Apps auf ihren Geräten zu sprechen.

"Es muss Wahlfreiheit geben, sonst erliegen wir der Macht der Giganten", unterstrich die Kommissarin. Wenn kleinere Firmen etwa beim Buchen von Flügen oder Hotels eine faire Chance erhielten und Torwächter eigene Angebote nicht mehr bevorzugen dürften, könnten die Verbraucher auch Geld sparen. Noch sei hier nicht alles im Reinen, aber die Dienste müssten fair und diskriminierungsfrei angeboten werden. App-Entwicklern müssten die Möglichkeit haben, Nutzer auch auf andere, kostenlose Anwendungen zu verweisen. Anfängliche Gebühren seien damit nicht vereinbar, betonte Vestager. Immer gleiche Blockade-Maschen werde die Kommission nicht akzeptieren. Wichtig sei es, dass das Parlament die Exekutivinstanz bei ihrem Vorgehen auch unterstütze: "Das verleiht uns Legitimität."

Bakari Middleton, Cheflobbyist von Epic Games, freute sich, dank dem DMA künftig einen eigenen Spiele-Store auf schier allen Smartphones bereitstellen zu können. Dabei dürfe der Verbraucher auch eigene Zahlungsdienste etwa für In-App-Käufe verwenden, was bei Google und Apple noch nicht der Fall sei. Schon in den ersten Tagen der DMA-Anwendung habe es aber "viel Drama" gegeben, da Apple Epic als Rivalen von der eigenen Plattform geworfen habe. Erst nach Intervention der Kommission sei der Zugang wieder erteilt worden.

Als Problem bezeichnete Middleton auch die "angsteinflößenden" Warnungen Apples vor Sideloading. Der Berater Ian Brown bezeichnete diese wiederholten Einblendungen ebenfalls als "besorgniserregend". Zudem liefere Apple keine Updates für Apps aus Dritt-Stores, wenn sich ein Nutzer über 30 Tage lang nicht in der EU aufhalte. Bei Google rieb sich Middleton am Gebührensystem für externe Entwickler und Store-Anbieter. So bitte der Konzern etwa beim Einsatz alternativer Zahlungsanbieter zur Kasse. "Beide Konzerne weigern sich, dem Gesetz Folge zu leisten", monierte der Epic-Vertreter. "Sie versuchen uns Sand in die Augen zu streuen." Wichtig seien daher auch einstweilige Verfügungen, um bestimmte Praktiken sofort zu unterbinden bei drohendem nicht wieder gutzumachendem Schaden.

Vor allem bei der Flug-, Hotel- und Restaurantsuche sowie im Shopping-Bereich verstoße Google offensichtlich gegen das Verbot der Selbstbevorzugung, gab Tomáš Braverman, früherer Chef und Brüssel-Vertreter insbesondere der in Osteuropa starken E-Commerce-Plattform Heureka, zu bedenken. Die bislang vorgenommenen Änderungen seien "ein Witz". Man setze sich daher über die Initiative Neutralsearch zusammen mit Vergleichsportalen sowie Startup-, Rundfunk- und Verlegerverbänden für zehn DMA-konforme Suchkriterien ein. Denn es stehe außer Frage: "Bei einem Monopol müssen Verbraucher mehr zahlen und sie erhalten schlechtere Produkte."

Auf die Bedeutung verlässlicher Testinstrumente, um Bevorzugungen in Trefferlisten nachzuweisen, verwies der Mannheimer Ökonom Martin Peitz. Einen Anspruch auf Informationen über anhand von Bewertungen etwa mit Sternchen mehr verkaufte Einheiten und generierte Klicks hätten Forscher im Gegensatz zur Kommission aber nicht. Er freue sich daher schon auf einen DMA 2.0 mit solchen Zugängen. Wie ein von Gatekeepern verwendeter Algorithmus im Detail funktioniere, müssten Wissenschaftler dagegen nicht wissen: "Wir erkennen eine Bevorzugung anhand der Ergebnisse" von Suchanfragen.

(bme)