Videostandard: Großer Patentverwalter verklagt Microsoft wegen HEVC-Einsatz
Via LA, ein Patentpool für den Videostandard HEVC/H.265, wirft Microsoft die Verletzung essenzieller gewerblicher Schutzrechte vor und hat Klagen eingereicht.
Dieser Rechtsstreit könnte für Microsoft teuer enden: Die Via Licensing Alliance (Via LA), die ein großes Patentportfolio mit einem Schwerpunkt auf Audio- und Videostandards verwaltet und verwertet, hat den US-Softwareriesen wegen Verletzung essenzieller gewerblicher Schutzrechte mehrfach verklagt. Konkret geht es um den Videostandard HEVC (High Efficiency Video Coding alias H.265) und damit verknüpfte standardessenzielle Patente (SEP). Dies teilte die auf Patentrecht spezialisierte Düsseldorfer Anwaltskanzlei Cohausz & Florack am Freitag mit. Sie hat einschlägige Klagen demnach zusammen mit Partnern von Krieger Mes & Graf von der Groeben im Namen von Via LA eingereicht – vermutlich vor dem Landgericht (LG) Düsseldorf.
Details zu den laufenden Verfahren nannte Cohausz & Florack zunächst nicht. Eine Sprecherin der Kanzlei erklärte gegenüber heise online am Freitag, der für den Fall zuständige Partner sei aktuell nicht erreichbar. Ein Microsoft-Sprecher teilte mit, der Konzern äußere sich zu solchen Vorgängen grundsätzlich nicht. Cohausz & Florack verwies auf ähnliche Verfahren, die man zusammen mit Krieger Mes für den Patentverwerter MPEG LA erfolgreich durchgeführt habe. Via LA und MPEG LA bündelten ihre Patentpools Mitte 2023. General Electric (GE), Philips und Mitsubishi Electric wandelten dabei ihre Teileigentümerschaften an MPEG LA in vergleichbare Beteiligungen an Via LA um.
Klagen liefen etwa auch gegen Huawei, Samsung und Hisense
In den Jahren vor dem Zusammenschluss führte MPEG LA mehrere Prozesse in Europa, insbesondere in Deutschland. Durch Klagen vor dem LG Düsseldorf konnte der Patentverwerter etwa Produzenten aus China wie Huawei, TCL und ZTE zum Abschluss eines Lizenzvertrags bewegen. Zudem reichte der Patentpool im April 2022 sogar eine Klage gegen sein ehemaliges Mitglied Samsung in Düsseldorf wegen Verletzung von HEVC-Patenten ein. Das Verfahren endete ein knappes Jahr später mit einem Vergleich. Der südkoreanische Smartphone-Hersteller willigte dabei in einen Lizenzabschluss ein. Über Einzelheiten des Deals vereinbarten beide Seiten Stillschweigen.
Als weitere "Blaupause" neben dem Vorgehen gegen Samsung führt Cohausz & Florack eine 2020 ebenfalls vor dem LG Düsseldorf eingereichte Klage von MPEG LA gegen Hisense ins Feld. Der Vorwurf lautete hier: Der chinesische Unterhaltungselektronik-Hersteller biete in Deutschland Fernsehprodukte an, die patentgeschützte AVC-Methoden verwenden, ohne von verfügbaren Lizenzangeboten dafür Gebrauch zu machen. Die Klagen zielten auf Schadensersatz und Unterlassungen ab. Hisense ließ sich daraufhin im Dezember 2021 auf einen Vergleich ein und nahm Lizenzen. Bei Microsoft dürfte die Sache ähnlich gestrickt sein, wobei es statt um AVC um den jeweils eingesetzten HEVC-Codec geht.
Neues Lizenzierungsprogramm für HEVC-Nachfolger VVC
Im Online-Forum Reddit beschwerten sich Nutzer vor einigen Monaten, dass sie beim Spielen von Games auf Geräten von Microsoft beziehungsweise unter Windows Geld für das Abspielen von HEVC-Videos zahlen sollten. Das habe offenbar mit Lizenzgebühren an die MPEG LA zu tun, erwiderten andere User. Aus diesem Grund sollte man ihnen zufolge patentierte Codecs wie MPEG-4, HEVC und AAC zugunsten von frei verfügbaren wie VP9, AV1 und Opus aufgeben.
Via LA nimmt für bis zu 100.000 Einheiten keine Lizenzgebühr. Danach verlangt der Verwerter von Disc-Produzenten oder Streaming-Anbietern 0,20 US-Dollar pro Encoder/Decoder beim Verkauf an Endanbieter. Die maximale jährliche Lizenzgebühr, die von einem Unternehmen zu zahlen ist, beträgt 25 Millionen US-Dollar. 2015 formierte sich mit HEVC Advance ein zweiter Patentpool, weil einige Rechteinhaber mit den von der MPEG LA ausgehandelten Konditionen nicht zufrieden waren. Dort sollten Lizenznehmer schon ab dem ersten verkauften Produkt Gebühren zahlen.
Im April kündigte Via LA die Erweiterung seines HEVC-Programms um den Nachfolgestandard Versatile Video Coding (VVC alias H.266) an. Dieser Schritt markiere "einen entscheidenden Wandel bei der Zusammenführung zweier wichtiger Videocodierungstechnologien im selben Patentpool", um die Integration und einfachere Einführung solcher Verfahren zu ermöglichen. Die EU-Kommission brachte 2023 einen Verordnungsentwurf auf den Weg, um viele Streitigkeiten, die mit dem Lizenzierungssystem für SEP entstanden sind, künftig zu vermeiden. Angesichts des heftigen Widerstands von Rechteinhabern ist die Initiative aber noch nicht weit gekommen.
(nen)