Viking 1: E-Mail vom Mars

Die erfolgreiche Landung der Sonde Viking 1 am 20. Juli 1976 war ein Sieg der USA über die Sowjets – und der Startschuss für die Suche nach Leben auf dem Roten Planeten.

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Viking 1: E-Mail vom Mars

Ein Teil des ersten klaren Bildes vom Mars - gesendet von Viking 1 am 20. Juli 1976.

(Bild: NASA)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Joseph Scheppach
Inhaltsverzeichnis

An einem Sommertag im Jahr 1976 ging ein Foto um die Welt, das wie kaum ein anderes die Fantasien über fremde Zivilisationen befeuerte. Es zeigte ein riesiges Gesicht, wie in Stein gemeißelt, das uns Erdlinge vom Mars aus anblickte. Was Ufologen für das Relikt einer uralten Zivilisation hielten, entpuppte sich später als optische Täuschung. Doch eine Ikone der Weltraumfotografie ist das "Marsgesicht" bis heute.

Das Bild entstand, als die Sonde Viking 1 die Marsregion Cydonia auf der Suche nach einem Landeplatz überflog. Diese Suche zog sich länger hin als geplant. Eigentlich sollte das Landegerät schon am 4. Juli aufsetzen, dem 200. Geburtstag der USA. Doch die Nasa ließ sich Zeit und wollte auf Nummer sicher gehen. Frühere Fehlschläge der Sowjets, die eine Reihe von Sonden verloren hatte, zeigten, wie heikel Mars-Landemanöver sind.

Schon Mitte der 60er-Jahre hatten Mariner-Sonden im Vorbeiflug den Mars fotografiert. Aber "die kleinste darstellbare Fläche war etwa so groß wie ein Fußballfeld", klagte James Martin, der das Viking-Projekt leitete. Weil nicht klar war, wie die Marsoberfläche wirklich aussehen würde, erschien eine direkte Landung zu riskant. Deshalb wurde Viking 1 zunächst in eine elliptische Umlaufbahn gebracht. Tatsächlich entpuppte sich das ursprünglich anvisierte Zielgebiet auf den Fotos der Zwillingskameras als chaotisches Terrain voller Felsen und Klippen.

In voller Breitseite: Das erste Bild, das die Sonde Viking 1 vom Mars zur Erde gesendet hat.

(Bild: NASA)

Auch eine alternative Stelle musste verworfen werden. Erst in der dritten untersuchten Zone, im Chryse-Planitia-Areal, war die Oberfläche relativ glatt. Am 20. Juli um 9.50 Uhr mitteleuropäischer Zeit leitete die Nasa das Landemanöver ein. Wegen des 18 Minuten langen Funkwegs musste es vollautomatisch ablaufen. In 18.000 Kilometern Höhe zerteilte sich Viking 1 in einen Orbiter, der weiterhin den Planeten umrundete, und einen Lander, der auf dem Planeten aufsetzen sollte. Dieses 600 Kilogramm schwere mannshohe Gerät bewegte sich rasend schnell auf den Mars zu. Erst die oberen Schichten der dünnen Marsatmosphäre bremsten den Lander ab. In 6.000 Metern Höhe ging ein Fallschirm auf. Kurz darauf traten achtzehn Bremsdüsen in Aktion, und Viking 1 landete mit 8,8 Stundenkilometern in einer Staubwolke – die erste weiche Landung einer Sonde auf einem anderen Planeten. Erstmals entstanden hochaufgelöste Farbaufnahmen des Mars-Panoramas. Über rostbraunen Felsbrocken und Sanddünen spannte sich ein lachsroter Himmel.

Das berühmte "Marsgesicht" - die Aufnahme der Viking-Sonde von 1976.

(Bild: Getty Images)

Die Landekapsel war auch mit einem automatischen Biologielabor ausgerüstet, um die spannendste Frage der Mission zu klären: Gibt es Leben auf dem Mars? Ein Schaufelarm entnahm Bodenproben, um sie in einem komplexen System von miniaturisierten Testzellen, Öfen, Kühlern, Geigerzählern, Gas-Chromatografen und Testflüssigkeiten auf organische Verbindungen hin zu untersuchen. Die ersten Ergebnisse waren für die Nasa-Forscher überraschend: Irgendetwas im Boden schien trotz eisiger Kälte und fast ungefilterter UV-Strahlung Reaktionen auszulösen, die von lebenden Organismen stammen könnten. Die Sonde hatte eine Bodenprobe mit Wasser und einer radioaktiven Nährlösung versetzt. Falls in der Probe atmende Organismen existierten, sollten diese die Nährlösung in Kohlendioxid umwandeln.

Tatsächlich fanden sich Spuren von CO2. Doch die Ergebnisse weiterer Bodenanalysen waren widersprüchlich. Am 13. November 1982 verstummte Viking 1. Auch die Experimente der Schwestersonde Viking 2, die bis April 1980 auf dem Mars arbeitete, konnte die Existenz von mikroskopischem Marsleben nicht nachweisen.

Das Bild des "Marsgesichts", aufgenommen 2007 vom Mars Reconnaisance Orbiter.

(Bild: NASA/JPL/University of Arizona)

Dirk Schulze-Makuch von der Washington State University hält es für möglich, dass Hinweise auf Marsmikroben schlichtweg übersehen wurden. Die Nasa hätte damals nur auf Lebensformen geachtet, deren Zellen, wie auf der Erde, Salzwasser enthalten. Auf dem kalten und trockenen Mars gebe es hingegen möglicherweise Zellen, die auf einer Mischung von Wasser und Wasserstoffperoxid basieren, so der Astrobiologe. Diese Lebewesen aber hätte man bei den Viking-Experimenten zerstört, als Wasser auf den Marsboden geschüttet wurde. "Wenn diese Organismen aus 50 Prozent Wasser und 50 Prozent Wasserstoffperoxid bestehen, reagieren sie empfindlich auf Wasser. Sie zerplatzen, wenn sie zu viel davon abbekommen", erklärt der niederländische Exobiologe Joop Houtkooper. "Genau das könnte bei dem Viking-Experiment passiert sein." Zu dieser Theorie würde passen, dass damals tatsächlich Wasserstoffperoxid gemessen wurde, das beim Zerplatzen solcher Zellen freigesetzt würde.

Auch Katherine Freeman von der Pennsylvania State University hält die Existenz von Marsmikroben für möglich: "Man findet nur, wonach man sucht." Möglicherweise sei man bisher bei der Suche nach extraterrestrischem Leben zu erdzentriert vorgegangen, so die Wissenschaftlerin. Auch die Nasa ruderte inzwischen zurück: In einem Statement zur ersten Marslandung heißt es, dass es denkbar sei, an anderen Plätzen fündig zu werden – etwa an den vereisten Polkappen.

Ob die Raumfahrtbehörde wirklich daran glaubt? Die Suche nach Leben liefert ihr auf jeden Fall ein gutes Argument, immer wieder Geld lockerzumachen, um zum Roten Planeten zurückzukehren. Inzwischen ist er der meistbesuchte Himmelskörper in unserem Sonnensystem.

Eine erneute Landung gelang im Juli 1997 der Sonde Pathfinder, die den ersten motorisierten Marsroboter absetzte. Dieser nur 10,6 Kilogramm schwere Rover mit dem Namen Sojourner musste in Sichtweite der Hauptsonde verbleiben, weil er über WLAN mit ihr kommunizierte. Drei Monate nach der Landung machte die Batterie zunehmend Probleme, und Pathfinder verstummte. Als wahre Dauerläufer hingegen erwiesen sich die beiden Anfang 2004 gelandeten Rover Spirit und Opportunity (siehe TR 6/2008, S. 48). Obwohl nur für 90 Tage ausgelegt, war Spirit sage und schreibe acht Jahre im Einsatz. Sein Zwilling Opportunity funktioniert sogar noch immer, hat mittlerweile über 42 Kilometer zurückgelegt und dabei die ehemalige Existenz von flüssigem Wasser nachgewiesen.

Seit dem 6. August 2012 kurvt nun auch der Rover Curiosity durch die Geröllwüste, sammelt bis heute eifrig Daten und schickt Marsfotos zur Erde. Zudem verfügt der Rover über neuestes technisches Equipment, das geeignet ist, Hinweise auf Leben zu finden. Somit könnte er das Rätsel um die alten Viking-Daten lösen. Ab 2018 soll er dabei vom Landeroboter der "ExoMars"-Mission der Esa unterstützt werden.

2020 könnten dann die ersten Menschen auf dem Planeten landen, so jedenfalls plant es der US-Milliardär Elon Musk. Drei Jahre später will das "Mars One"-Projekt ebenfalls Erdlinge auf den Mars befördern. Technisch ist das Unterfangen wohl tatsächlich möglich. Doch ethisch sind die Missionen hoch umstritten. Denn ein Rückflug ist nicht vorgesehen. An Bewerbern aber mangelt es dennoch nicht. (jle)