Vivendi Universal will AOL/Time Warner überholen

Der aus der transatlantischen Fusion von Vivendi und Seagram hervorgegangene Konzern Vivendi Universal will dem weltweit führenden Medienkonzern AOL/Time Warner die Spitzenstellung streitig machen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Der aus der transatlantischen Fusion von Vivendi und Seagram hervorgegangene Konzern Vivendi Universal will dem weltweit führenden Medienkonzern AOL/Time Warner die Spitzenstellung im Bereich Kommunikation und Medien streitig machen. "Unsere Strategie zielt darauf ab, weltweit erster Medien- und Kommunikationskonzern zu werden", sagte der zukünftige Vizepräsident von Vivendi Universal, Edgar Bronfman der französischen Tageszeitung Le Figaro.

Die EU-Kommission hatte die Fusion des französischen Mischkonzerns Vivendi mit der Getränke- und Unterhaltungsgruppe Seagram am Freitag nach einer sechswöchigen Standardprüfung mit Auflagen gebilligt. Üblicherweise dauern Wettbewerbsprüfungen dieser Größenordnung in Brüssel deutlich länger. Die Wettbewerbshüter in Brüssel sorgte sich vor allem, dass die mehrheitliche Vivendi-Tochter Canal Plus ihre beherrschende Stellung in vielen EU-Ländern noch ausbauen könnte. Um dies zu verhindern, sollen Produktionen und Ko-Produktionen der Seagram-Unterhaltungstochter Universal auch anderen TV-Gesellschaften zur Verfügung gestellt werden. Canal Plus ist bereits das größte europäische Unternehmen im Bezahlfernsehen. Um eine beherrschende Stellung bei Musik im Internet zu verhindern, wird Universal Music die Vivendi-Internet-Plattform Vizzavi nicht ausschließlich bedienen. Andere Internetportale haben nun für fünf Jahre lang Zugang zu Universals Online-Musik.

Für die von Brüssel verlangte Abgabe des 23-Prozent-Minderheitsanteils an dem britischen Bezahlfernseh-Unternehmen BSkyB will sich der französische Mischkonzern Zeit lassen. "Wir werden uns die nötige Zeit nehmen, um diese Verpflichtung unter den besten Bedingungen zu erfüllen", sagte der Generaldirektor von Vivendi, Jean-Marie Messier laut dpa. Über die Modalitäten der Abgabe stünden ihm alle Türen offen. "Wir haben alle Freiheiten". Der Anteil von Vivendi an British Sky Broadcasting (BSkyB) hat nach Angaben der Wirtschafts-Nachrichtenagentur Bloomberg einen Wert von etwa sechs bis acht Milliarden US-Dollar. BSkyB hat laut EU-Kommission Verbindungen zu Fox, einem großen US-Filmstudio.

Vivendi Universal werde sich hauptsächlich auf die USA konzentrieren, da der Konzern dort "mehr als in jedem anderen Land der Welt" seine Geschäftstätigkeit ausdehnen könne, sagte Bronfman, der bisherige Chef von Seagram. Mit der Fusion soll nach früheren Angaben ein Konzern mit rund 65 Milliarden US-Dollar Umsatz (rund 74,65 Milliarden Euro) entstehen. Vivendi mit Hauptsitz in Paris ist bislang bei einem Umsatz von 208,2 Milliarden Franc (31,75 Milliarden Euro) der größte private Arbeitgeber Frankreichs mit 67.000 Beschäftigten. Weltweit kommt der Konzern auf 275.000 Mitarbeiter in rund 100 Staaten. Der Konzern in seiner heutigen Form ist 1998 aus der Fusion des Medienkonzerns Havas mit dem traditionsreichen Wasserversorgungsunternehmen Compagnie Generale des Eaux (CGE) hervorgegangen. Zu Beginn der 60er Jahre kamen die Abfallbeseitigung und der Immobilienbereich zur CGE, 1983 folgte der Medienbereich mit der Beteiligung am Pay-TV-Sender Canal Plus, später ein Telefonnetz.

In den vergangenen Monaten hat Vivendi seinen Bereich Telekommunikation mit dem Ziel verstärkt, das führende Multimedia-Unternehmen in Europa zu werden. Jüngster Schritt auf diesem Weg war die Gründung der Internet-Dienstleistungsfirma V.Net gemeinsam mit der Canal Plus SA, an der Vivendi 49 Prozent hält. Vivendi ist auch beteiligt an Frankreichs zweitgrößter Telefongesellschaft, Cegetel. Nach Angaben von Le Figaro dürfte allein der Kommunikations-Bereich der Gruppe in diesem Jahr einen konsolidierten Pro-forma-Umsatz von 24,6 Milliarden Euro ausweisen. Vivendi erwartet für den Zeitraum 2000 bis 2002 eine jährliche Steigerung um zehn Prozent. Der Ankündigung der Fusion mit Seagram wurden von den Anlegern allerdings wenig geschätzt: Innerhalb nur einer Woche nach Bekanntgabe hatte der Konzern ein Viertel seines Börsenwertes eingebüßt. Analysten fanden das Fusionsprojekt zu teuer. (jk)