Vom Handy in die Hitparade: Klingeltöne drängen ins Musikgeschäft

Handy-Musik wird mehr und mehr zum Millionengeschäft.

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Von
  • Sascha Meyer
  • dpa

Eigentlich sind sie nur Stars -- manche sagen auch Nervtöter -- für wenige Sekunden. Wenn das Handy klingelt, erwachen singende Küken und trällernde Teddys -- immer neuen Kurzmelodien für das Mobiltelefon locken vor allem junge Leute. Einer aus der Riege der bunten Kunstfiguren hat aber sogar den Sprung in die Hitparade geschafft: Der verrückte Frosch ("Crazy Frog") eroberte als erster Klingelton überhaupt die Spitze der britischen Single-Charts. Der in Deutschland produzierte Hit kommt den Anbietern gerade recht. Handy-Musik wird mehr und mehr zum Millionengeschäft.

Bei den Schöpfern des computeranimierten Popstars ist der Jubel groß. Binnen einer Woche fand die Single in der Heimat der Beatles 150.000 Käufer -- der neue Song der Britpopband Coldplay lag dahinter auf Platz zwei. Wegen des Erfolgs seien "weitere Veröffentlichungen weltweit" geplant, heißt es beim deutschen Klingelton-Marktführer Jamba in Berlin, der den verrückten Frosch schon länger im Repertoire hat. Und das Mülheimer DJ-Projekt Bass Bumpers, das den Achtziger-Jahre-Hit "Axel F." als Remix zur Handymelodie aufpeppte, verkündet auf seiner Internet-Seite: "Das Frog-Album ist schon in Arbeit!"

Nach der Methode, Handymelodien Figuren mit eigenen Charakteren zur Seite zu stellen, sind schon ganze Ensembles vom Schweinchen bis zur Partybiene entstanden. Und was die einen nervt, ermöglicht den Klingeltonproduzenten auch die Vermarktung von Logos und Videoclips für das Handydisplay -- oder eben von Singles. Auf einen Durchbruch wie in Großbritannien müssen die Anbieter hierzulande aber vorerst noch warten. Zwar ließ "Schnappi, das kleine Krokodil" auch Handys klingeln und eroberte Platz eins der deutschen Charts. Ursprünglich war die Melodie aber kein Klingelton, sondern ein Kinderlied.

Dass vor allem junge Leute für immer neue Erkennungszeichen ihres Mobiltelefons empfänglich sind, haben die Anbieter im Blick. Für rund 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland ist ein cooles Design des Handys ein wichtiges Kaufkriterium, wie eine repräsentative Umfrage des Instituts für Jugendforschung der Unternehmensberatung Roland Berger ergab. Neben dem reinen Telefonieren und SMS-Kurznachrichten interessieren sie sich zudem für Extra-Funktionen wie Spiele.

Auf der Suche nach weiteren Einnahmequellen setzen die Anbieter dabei auch auf eine steigende Nachfrage für mobile Melodien. Die etwa 30 Sekunden langen Tonschnipsel (Durchschnittspreis: 1,99 Euro) entstehen meist am Computer, reduziert auf die markanteste Passage und in mehreren Varianten: als einstimmige Melodie, im Mehrklang mit Bass und Rhythmus, samt Karaoketext im Display oder im Original wie auf CD. Der Markt, auf dem neben den Handyfirmen und Netzbetreibern auch Konkurrenten wie Zed (Düsseldorf) mitmischen, ist in Bewegung: Etwa 200 Millionen Euro Umsatz kamen nach Branchenschätzungen 2004 als finanzielles Echo herein -- Tendenz weiter zweistellig steigend.

Für das neue Geschäft bringt sich auch die Musikwirtschaft in Stellung. Branchenprimus Universal macht mit Handytönen schon einen Umsatz im einstelligen Millionen-Euro-Bereich. Der Hitparaden-Sprung des Frosches in Großbritannien zeige, dass es kurzfristig auch ganz große Erfolge geben könne, wenn sie den Nerv der Zeit treffen, heißt es bei den deutschen Phonoverbänden. Gut für die Anbieter: Dass Handydienste nicht umsonst sind, ist den meisten Kunden im Gegensatz zur Kostenlosmentalität im Internet klar.

Experten warnen indes, Jugendliche mit komplizierten Konditionen zum Schuldenmachen zu verleiten. Der Kinderschutzbund rät Eltern zu aufladbaren Guthabenkarten für das Handy, die Mobilfunkanbieter teils schon speziell für junge Kunden anbieten. Während der Branchenverband Bitkom vor Bevormundung warnt, halten Verbraucherschützer Pläne der Bundesregierung für überfällig: Bevor der nächste Frosch ins Handy springt, sollte immer eine Extra-SMS auf die Kosten hinweisen. (Sascha Meyer, dpa) / (jk)