Von Wind, Gegenwind und wie der Strom in den Süden kommt

Seite 2: Kritik an "Monstertrassen" und menschlichen "Versuchskaninchen"

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Bundesweit gibt es Bürgerinitiativen gegen die „Monstertrassen“. Bei der Suedlink-Erdverkabelung befürchten sie „Wärmekontamination“ und damit Auswirkungen auf die Natur sowie Tier- und Pflanzenwelt. Die Ultranet-Leitung sorgt dagegen wegen befürchteter Wechselwirkungen für Ängste. Bundesnetzagentur und Netzbetreiber weisen dies zurück: Auch bei einer Hybridleitung müssten gesetzlich festgelegte Grenzwerte für elektrische und magnetische Felder stets eingehalten werden. Eine Gesundheitsgefährdung bestehe also nicht.

Doch Dörte Hamann, Sprecherin des Aktionsbündnisses Trassengegner, meint: „Wir sind die Versuchskaninchen.“ Und sie fragt sich: „Geht es wirklich um die Energiewende und Versorgungssicherheit oder um Schnellstraßen für den europäischen Stromhandel? Für ein paar Windstromspitzen braucht man doch keine Milliardenprojekte.“

Proteste gab es auch an den Endpunkten der Trassen, wo in Konvertern Gleichstrom in Wechselstrom für die Weiterverteilung in die Region umgewandelt wird. Gegen die damals geplanten Anlagen nahe am Ort und einen Flächenverbrauch von zehn Hektar grüner Wiese hatte Philippsburgs Bürgermeister Stefan Martus (parteilos) Widerstand angekündigt.

Der hat sich inzwischen erledigt: Mit dem Abbruch der Kühltürme des ehemaligen Kernkraftwerks im Mai wurde Platz geschaffen für die Grundsteinlegung des Gleichstrom-Umspannwerks auf dem AKW-Gelände – weit weg von den nächsten Häusern. „Das war ein großer Meilenstein bei Ultranet“, sagt TransnetBW-Sprecher Schilling. „Konstruktiver Widerstand, immer im Gespräch bleiben und nach Lösungen suchen, lohnt“, so Martus. Die riesigen Strommasten gehören am Ex-Atomstandort ohnehin zum Landschaftsbild.

Beim Suedlink-Endpunkt in Leingarten gab es nach Angaben von Bürgermeister Ralf Steinbrenner (parteilos) erst gar keine Probleme. Man habe frühzeitig informiert und alle eingebunden. „Darin sehe ich das Erfolgsrezept für die hohe Zustimmung zum Bau des Konverters.“

Manche Trassengegner haben aufgegeben: „Wir werden Ultranet nicht verhindern“, bedauert Franziska Hennerkes aus Urbar bei Koblenz (Rheinland-Pfalz). Aus gesundheitlicher Sorge um ihre drei Kinder zieht die Familie weg. „Wir haben die Reißleine gezogen.“

Freie Bahn nun für die Nord-Süd-Trassen? Auch wenn es wegen Corona etwas stiller um Suedlink wurde – für Dörte Hamann ist der Kampf nicht vorbei: „Der Protest wird unterschätzt. Noch ist die Stromautobahn in weiter Ferne. Wenn die Leute die massiven Eingriffe in die Natur erst sehen, werden sie richtig sauer.“

TransnetBW-Sprecher Schilling betont: „Für die Planung unserer Netzbauprojekte untersuchen wir Kriterien wie Artenschutz, Bodenschutz, Umwelt- und Raumverträglichkeit, Abstände zur Wohnbebauung und weitere private und öffentliche Belange. Die Lautstärke von Protesten ist für die Planung irrelevant.“ Klagen wären was anderes – die sind laut Gegnerin Hamann schon vorbereitet.

(tiw)