Von den Toten auferstanden: Damn Small Linux 2024 Alpha 1

Damn Small Linux galt einst als Inbegriff der handlichen Linux-Distro, die auch auf ältere Systeme eine GUI zauberte. Nun steht ein Revival des Projektes an.

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(Bild: iX)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Gerhard Loschwitz

Mancher altgediente Linux-Administrator dürfte sich am 01. Februar etwas verwundert die Augen gerieben haben: Da geisterte nämlich die Meldung durchs Netz, Damn Small Linux (DSL) 2024 sei in der Version Alpha 1 erschienen und bitte Tester um ihre Mithilfe. Damn Small Linux – da war doch was? Richtig: In den 2000er-Jahren hatte sich DSL zur Alternative zu den damaligen Desktop-Distributionen entwickelt, weil es sehr klein daherkam und deutlich geringere Hardware-Anforderungen hatte als die Konkurrenz bei Red Hat, SUSE & Co.

So war es ein erklärtes Ziel der DSL-Entwickler, dass ihre Distribution reibungslos auf 486er-Computern laufen und dort die Festplatte nicht unnötig zumüllen sollte. 2008 erschien die bisher letzte offizielle Version von DSL, danach verlor das Projekt einige Entwickler und die verbliebenen Entwickler das Interesse. Kein Wunder: Der durchschnittliche Computer war 2008 bereits durchaus erschwinglich und mit mehr als genug Wumms versehen, um die für damalige Verhältnisse opulenten Desktops ruckelfrei darzustellen. Auch Speicherplatz war längst kein so zentrales Thema mehr wie noch Anfang der 2000er-Jahre, denn Festplatten wuchsen kontinuierlich, während der Preis pro Gigabyte stetig sank.

Etwas überraschend ist jetzt trotzdem die Alpha 1 einer neuen Version von Damn Small Linux erschienen. Auf der Website des Projektes erklären seine aktuellen Entwickler ihre Beweggründe: Aktuelle Desktop-Linuxe, so heißt es dort, hätten praktisch jedes Maß im Hinblick auf ihre Größe verloren. Wo Ubuntu & Co. früher zumindest noch ISO-Abbilder anboten, die auf eine einzelne CD passten, sei in der Distributionsklasse unter 700 Megabyte heute praktisch nichts mehr zu finden. Genau darauf schießen die DSL-Entwickler sich ein: Im Fokus steht also die Entwicklung einer Linux-Distribution, die so funktional wie möglich sein soll, ohne die magische Grenze von 700 Megabyte für das eigene ISO-Abbild zu überschreiten. Im Fokus stehen außerdem auch weiterhin ältere und nicht ganz so potente Desktop-Systeme, die bei den anderen Distributoren komplett aus dem Fokus gefallen seien.

Trotz seines minimalistischen Ansatzes kann sich der Funktionsumfang von Damn Small Linux durchaus sehen lassen. An Bord sind zunächst zwei Fenstermanager, Fluxbox und JWM. Beide sind in der Community dafür bekannt, mit den verfügbaren Ressourcen sehr sparsam umzugehen. Dasselbe gilt für die ausgelieferten Webbrowser: Chromium, Firefox & Co. sucht man hier vergeblich. Das mag daran liegen, dass ein laufender Chromium inzwischen gerade im Hinblick auf RAM als Rampensau gilt und sich davon gleich mehrere Gigabyte schon zum Start genehmigt. BadWolf und Dillo sind deutlich entspannter und liegen DSL entsprechend bei.

Andere Töne schlägt DSL 2024 auch in Sachen Office-Software an. Dass ein ausgewachsenes LibreOffice weder auf ein 700-Megabyte-Abbild passt, noch auf alten Computern sonderlich flott läuft, weiß jeder, der die Software schonmal genutzt hat. Ähnliches gilt für die üblichen Verdächtigen in Sachen E-Mail oder PDF-Darstellung. Auch hier geht DSL einen eigenen Weg und liefert Komponenten wie AbiWord, Gnumeric, Sylpheed oder Zathura aus. Wer lieber Multimedia betreibt, findet in Form von MPV und XMMS zwei leistungsstarke Werkzeuge zur Wiedergabe von Videos und Musik. Sogar an die künstlerischen Aspekte haben die Entwickler gedacht: mtPaint ermöglicht das Bearbeiten von Grafiken, Leafpad dient als Notizblock und zzzFM erlaubt die Verwaltung von Dateien jedweder Art als Standarddateimanager von DSL.

Hinzu gesellt sich ein Potpourri an Anwendungen, die beispielsweise Administratoren das Leben erleichtern. Tmux, Vim, W3M, Links2 & Co. sind nur einige der Anwendungen, die Administratoren mindestens aus der Vergangenheit durchaus bekannt vorkommen dürften. Die meisten Werkzeuge dieser Kategorie sind obendrein CLI-basiert, sodass der Faktor des Ressourcenbedarfs untergeordnet ist.

Das technische Fundament von DSL 2024 bildet übrigens antiX 23 in der Version für i386-Computer. antiX selbst ist ja bekanntlich ein deutlich abgespecktes Debian GNU/Linux Stable, sodass DSL 2024 einen großen Teil der Funktionen von Debian GNU/Linux Bookworm ebenfalls erbt. Der DSL-Chefentwickler weist ausdrücklich darauf hin, dass anders als in früheren DSL-Versionen apt vollständig konfiguriert und eingerichtet ist. Wer möchte, kann also auf Pakete aus antiX und großteils auch auf Debian 12 zurückgreifen. Interessierte finden das ISO-Abbild von DSL 2024 Alpha 1 auf der Webseite des Projekts.

(fo)