Vonage sieht keinen Ausweg aus der Patentfalle

Im Streit mit Verizon hat der VoIP-Anbieter nun einräumen müssen, keine Alternative zu den geschützten Techniken zu haben. Sollte das Gericht keinen weiteren Aufschub gewähren, droht das Aus.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 53 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Die Situation des US-VoIP-Anbieters Vonage wird immer bedrohlicher. Das in Patentstreitigkeiten mit klassischen Festnetzanbietern wie Sprint oder Verizon verstrickte Telekommunikationsunternehmen hat nun zugeben müssen, keine Alternative zu den von Verizon patententierten Techniken zu haben. In dem Streit mit Verizon geht es um ein geschütztes Verfahren, mit denen Gespräche von IP-Netzen ins klassische Telefonnetz geroutet werden sowie ein Verfahren für IP-Gespräche in öffentlichen Funknetzen. Ein amerikanisches Geschworenengericht hatte Vonage wegen Verletzung dreier Schutzschriften zu 58 Millionen US-Dollar Schadensersatz verurteilt. Das ebenfalls erlassene Verbot, neue Kunden aufzunehmen, wurde von einer Berufungsinstanz vorübergehend ausgesetzt. Vonage wollte eine alternative Technik entwickeln, welche die fraglichen Patente nicht verletzt.

Dazu ist das Unternehmen offenbar nicht in der Lage – zumindest nicht in der gebotenen Kürze. Der vom Berufungsgericht gewährte Aufschub bis zum 24. April reicht Vonage nicht; auch darüber hinaus hat Vonage Zweifel, ob eine Umgehung der weit reichenden Schutzrechte Verizons überhaupt machbar sei. Das geht nach einem Bericht der Tageszeitung USA Today aus Gerichtsunterlagen hervor. Vonages Anwälte begründen damit einen Antrag, die Verfügung dauerhaft auszusetzen. "Vonage hat derzeit keinen Workaround", heißt es in dem Papier. Das Unternehmen habe Methoden zur Umgehung der Patente untersucht, doch werde es Monate dauern, die fraglichen Techniken zu ersetzen – sofern das überhaupt machbar sei.

Für die Aktionäre sind das erneut schlechte Nachrichten. Vonage hat seit seinem Börsengang im vergangenen Jahr bereits 80 Prozent seines Werts eingebüßt. Die Patentfrage geht an den Kern des Geschäftsmodells und bedroht die Existenz des Unternehmens. Sollte das Gericht den dauerhaften Aufschub nicht gewähren, droht Vonage das Aus. Zumindest einen bleibenden Schaden beklagt das Unternehmen in seinem Antrag, der teilweise geschwärzt veröffentlicht wurde. Vonages Problem ist die hohe Kundenflüchtigkeit. Monatlich springen rund 2,5 Prozent der Kunden wieder ab. Bei 2,2 Millionen Kunden sind das über 650.000 im Jahr, die stetige Zuführung neuer Kunden ist daher existenziell.

Mitten in dem Schlamassel warf in der vergangenen Woche CEO Mike Snyder das Handtuch. Seinen Platz nahm – vorübergehend – Mitgründer und Aufsichtsratschef Jeffrey Citron ein, der den Chefposten vor der Übernahme durch Snyder im Februar vergangenen Jahres innehatte. Citron muss nun sehen, wir er sein Unternehmen aus dieser hoffnungslosen Lage befreit. Eine Möglichkeit wäre der Verkauf an einen klassischen Carrier. Im Streitfall mit Sprint, bei dem es ebenfalls um Patente geht und der im Herbst vor Gericht verhandelt werden soll, könne es eine einvernehmliche Lösung geben, heißt es in Medienberichten. Eine Lösung sei auch ein Verkauf des Unternehmens an Sprint. Vonage ist vergleichsweise billig zu haben und mit über 2 Millionen Kunden durchaus attraktiv. Analysten bezweifeln das Verkaufsszenario allerdings als wenig wahrscheinlich.

Unterdessen richtet ein Analyst die Patentfrage auch an Verizon. Daniel Berninger von Tier 1 Research stellt die Gültigkeit zweier der strittigen Verizon-Patente grundsätzlich infrage. Die im März 1997 und Februar 2000 eingereichten Patente müssten darauf überprüft werden, ob es nicht vorher schon vergleichbare Techniken gegeben habe (Prior Art). Ähnliche Verfahren seien bereits 1996 von VocalTec Communications auf dem VoIP-Forum vorgestellt worden. Zudem nehme Verizons Patentantrag Bezug auf Verfahren von Unternehmen wie Cisco, Microsoft, IBM und Intel, die zuvor in einen offenen Standard eingebracht worden seien. (vbr)