Vorstellungsgespräch: Was Personaler wissen wollen

Sieben, selektieren, hart sein: Das können Personaler im Vorstellungsgespräch nicht mehr. Dazu gibt es zu wenig Bewerber, davon berichtet ein Personalberater.

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(Bild: baranq/Shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg
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Das Vorstellungsgespräch ist das wichtigste Auswahlkriterium im Bewerbungsprozess. "Es dient immer dazu herauszufinden, ob die Person auf die Position passt, die besetzt werden soll", sagt Michael Eiberger, Geschäftsführer der Personalberatung ‚die Stellenbesetzer‘ in Stuttgart. Das Unternehmen sucht für seine Kunden Mitarbeiter, überwiegend solche, die nur schwer zu finden sind.

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"Aktuell haben unsere Auftraggeber den größten Bedarf in den Bereichen Software und Elektrotechnik", sagt Eiberger. Pro Jahr werden in der Personalberatung um die 1.000 Vorstellungsgespräche geführt, mit Schwerpunkt Technologie. Eiberger und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffen damit eine Vorauswahl für die Unternehmen, die sie mit der Suche beauftragt haben.

In einem Vorstellungsgespräch versuchen die Stellenbesetzer den Bewerber kennenzulernen. "Das machen wir, indem immer tiefgründigere Fragen gestellt werden", sagt Eiberger. Dafür bestehen zwei Formen. In einem strukturierten Interview werden an jeden Bewerber einer bestimmten Berufsgruppe immer dieselben Fragen gestellt. Dieses Vorgehen dient dazu, die Kandidaten vergleichbar zu machen und auf diesem Weg den besten Bewerber anhand definierter Kriterien herauszufinden, etwa die Tiefe der Kenntnisse in einer bestimmten Programmiersprache.

"Diese Form ist allerdings starr und damit wenig flexibel", sagt Eiberger. Deshalb wenden die Stellenbesetzer eine halbstrukturierte Interviewform an, die eine grobe Struktur vorgibt und zusätzlich die Möglichkeit lässt, freie Fragen zu formulieren.

Offene Fragen beginnen oft mit Warum, Wieso, Weshalb. Beispiel Gehalt: Welches Jahresgehalt haben Sie aktuell und welches streben Sie an? "Offene Fragen beeinflussen nicht und lassen Freiraum bei den Antworten", sagt Eiberger. Geschlossen lautet die Frage: Sie verdienen doch jetzt bestimmt 75.000 Euro im Jahr und wollen wahrscheinlich mehr haben? Die Antwort darauf könnte zweimal ein einfaches Ja sein. Wirklich etwas erfahren hätte der Fragende dann nicht. Die Hoffnung mit offenen Fragen liegt bei den Personalern darin, dass Bewerber den roten Faden des Gesprächsangebots aufnehmen und sie so etwas über den Kandidaten erfahren.

Gefragt wird direkt, leicht verständlich und ohne Umschweife. "So etwas wie eine Geheimsprache etwa in Arbeitszeugnissen oder verwirrende Fragen mit psychologischen Fallgruben gibt es nicht", sagt Eiberger. Auf die Fragen antworten die einen kurz und prägnant, das sind die Strukturierten. Andere sind Geschichtenerzähler, die mit vielen Worten nichts sagen und Personaler zunächst herausfinden müssen, was sie überhaupt sagen wollen.

"Die meisten Unternehmen suchen Mitarbeiter, die auf den Punkt kommen. Weniger gefragt von den Firmen sind Menschen, die mit ihren ausschweifenden Erzählungen andere zu begeistern versuchen", sagt Eiberger. In jeder Berufsgruppe gebe es solche und solche – mit der Tendenz, dass Angehörige technischer Berufe eher strukturierte Personen sind. Die verlieren lieber weniger Worte und die sind sachlich, nicht emotional.

Vorstellungsgespräche haben immer eine Grundstruktur an Fragen, die stets ähnlich ist. Die Stellenbesetzer fragen zunächst nach den Gehaltsvorstellungen, denn der Kunde gibt das Limit vor. "Liegt die Bewerberin oder der Bewerber deutlich darüber, scheidet sie oder er bereits nach dieser Frage aus", sagt Eiberger. Die Umzugsbereitschaft ist ein weiteres wichtiges Thema, das geklärt werden muss, wenn der Bewerber etwa in Hamburg wohnt, die Stelle aber in Stuttgart ist. Keine Bereitschaft zum Umzug oder zur Zweitwohnung ist ebenfalls ein Ko-Kriterium. Ebenso eklatante Lücken im Lebenslauf, etwa wenn ein Jahr einfach fehlt.

Wenn diese drei Fragen positiv laufen, wollen die Stellenbesetzer wissen: Warum haben Sie sich auf die Stelle beworben und was reizt Sie an der Aufgabe? Was bringen Sie hierfür mit? Was erwarten Sie von Ihrer zukünftigen Position und was ist die Motivation für den Wechsel?

Auf diese Fragen kann man sich vorbereiten und damit auch auf das Vorstellungsgespräch insgesamt. "Allerdings schafft es niemand, dauerhaft in eine Rolle zu schlüpfen und jemanden darzustellen, der er oder sie nicht ist", sagt Eiberger. Ob organisiert oder unsystematisch, introvertiert oder extrovertiert: Bei solchen grundsätzlichen persönlichen Zügen ist täuschen schwer. "Was man keinesfalls machen sollte, ist, über den aktuellen Arbeitgeber oder Vorgesetzten zu schimpfen", sagt Eiberger. Am besten ist es, sachlich und objektiv zu sein. Schwächen darf man durchaus zugeben, das macht einen glaubwürdiger.

Von den etwa 1.000 Gesprächen präsentieren die Stellenbesetzter rund 600 Kandidaten ihren Kunden. Die Hälfte davon wird eingestellt und von der anderen Hälfte sagen zu jeweils gleichen Teilen die Unternehmen oder die Bewerber ab - meist, weil sie das Angebot eines anderen Unternehmens annehmen.

Dass die Bewerber entscheiden, wo sie arbeiten, ist ein Phänomen dieser Tage in einem Arbeitsmarkt, in dem das Angebot an Mitarbeitern gering und die Nachfrage hoch ist. Vor allem für die Informatik und Elektrotechnik. "Um das Jahr 1996 haben wir einen Ingenieur der Elektrotechnik gesucht und einen großen Wäschekorb voll Bewerbungen bekommen", sagt Eiberger. Knapp 1.000 Kandidaten hatten sich beworben. Die Kunst der Auswahl bestand damals darin, aus der Menge einen passenden Kandidaten herauszufinden.

Heute sind die Stellenbesetzer froh, wenn sie auf eine ähnliche Stellenausschreibung fünf Bewerbungen bekommen. "Bei einer Masse an Menschen kann man für die Auswahl sieben, selektieren, im Gespräch hart sein. Heute müssen wir Sympathie verbreiten, damit der Bewerber sich für unseren Kunden interessiert, weil er viele Optionen hat", sagt Eiberger. Deshalb analysieren Bewerber bei einem Vorstellungsgespräch heute ganz genau, was das Unternehmen ihnen zu bieten hat.

Diese Entwicklung zeigt deutlich den Wandel vom Arbeitgeber- zum Bewerbermarkt. In dem entscheidet der Kandidat, wo er arbeiten will. "Man darf aber nicht vergessen, dass letztendlich die Qualität der Bewerber über eine Einstellung entscheidet", sagt Eiberger. Wenn die notwendigen Skills fehlen, bekommen Bewerber den Job nicht. Eventuell wird ihnen aber eine andere Stelle angeboten.

(axk)