WSIS: Die Vereinten Nationen sollen Übergriffe und Zensur untersuchen
Nichtregierungsorganisationen fordern, die UN sollten Angriffe und verbalen Attacken auf Journalisten, Delegierte und Bürgerrechtler während des Weltgipfels der Informationsgesellschaft aufklären.
Die beim UN-Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) vertretenen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wollen Polizeiübergriffe während des Gipfels nicht auf sich beruhen lassen. In einem Brief an UN-Generalsekretär Kofi Annan dringen die NGOs noch einmal nachdrücklich auf eine lückenlose Aufklärung der Angriffe beziehungsweise verbalen Attacken auf Journalisten, Bürgerrechtsaktivisten und Delegierte beim Gipfel. Betroffen waren unter anderem auch der deutsche UN-Botschafter in Genf und die Schweizer Delegation. Sowohl von Seiten der EU wie auch von Schweizer Seite wurde Protest gegen die Behinderung der eigenen Delegierten eingelegt.
Die NGOs fordern in ihrem Brief, der noch bis Sonntag zur Unterschrift ausliegt, bevor er an Annan geht, die Menschenrechtssituation in Tunesien weiter im Auge zu behalten. Die sieben Anwälte und Richter, die zum Abschluss des Gipfels einen über einmonatigen Hungerstreik beendeten, hatten bei ihrer Pressekonferenz in Tunis erklärt, sie würden mit weiteren Repressalien von Seiten der Behörden rechnen. Darauf seien sie vorbereitet, man werde sich nicht von der weiteren politischen Arbeit, einer Grundrechtedebatte in einem neu gegründeten Komitee, abhalten lassen.
Die NGOs bitten Annan in ihrem Brief auch, die Anerkennungspraxis für NGOs bei UN-Veranstaltungen und im Rahmen der Arbeit des UN-Wirtschafts- und Sozialrats (Economic and Social Council, ECOSOC) zu ändern. Anerkennungen dürften nicht von der Zustimmung von Regierungen abhängig gemacht werden. Zudem bedürfe es einer Berufungsmöglichkeit. Während der Vorbereitungen zum Gipfel war etwa die Organisation Human Rights in China mehrfach mit ihrem Akkreditierungswunsch gescheitert. Tunesische NGOs hatten von einer Teilnahme am offiziellen Gipfel vor allem aus Solidarität mit in ihrem Land nicht zugelassenen Bürgerrechtsorganisationen Abstand genommen.
Siehe zum zweiten Weltgipfel der Informationsgesellschaft auch:
- Special cyber-weltgipfel zum 2. WSIS in Telepolis
- Schweiz protestiert gegen Zensur beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft
- Tunesische Bürgerrechtler beenden Hungerstreik
- Das Internet der Dinge
- Tunesien protestiert gegen Schweizer Kritik
- Alle sind Sieger geblieben
- Negroponte hofft auf Mitarbeit der Open-Source-Gemeinde beim 100-Dollar-Laptop
- Das Recht zu kommunizieren statt des Rechts zu regieren
- Regierungen einigen sich auf Forum zur Diskussion von Internet-Fragen
- Angriffe auf Bürgerrechtler überschatten Weltgipfel der Informationsgesellschaft
- Schwere Konflikte um Internationalisierung der Internet-Verwaltung
- Deutsche Delegation für Internationalisierung der Netzverwaltung
- Der Kampf um die Macht im Netz
- Kofi Annan: UN will keineswegs "das Internet übernehmen"
- Forscher fordern "ent-nationalisierte" ICANN
- US-Präsident greift in Streit um Internet-Kontrolle ein
- Keine Einigung über Root-Aufsicht
- USA und EU im Clinch über Internet-Regulierung
- Scharfe Kritik an Gipfelgastgeber Tunesien
- USA für einen Gipfel ohne Folgen
- Die Regierungen, die UNO und das Internet
- US-Regierung gibt Kontrolle über DNS-Rootzone nicht her
- US-Handelsministerium verlängert Vertrag mit ICANN
Zu den Ergebnissen des 1. WSIS siehe auch:
(Monika Ermert) / (jk)