Wahlcomputer in Florida unterschlagen jede achte Stimme
In Sarasota County fehlen mehr als 18.000 Stimmen, die bei der Wahl zum US-Repräsentantenhaus abgegeben wurden. Nach einer Bürgerpetition will die Wahlleitung die bisher eingesetzten Touch-Screen-Geräte nun wieder durch konventionelle Wahlzettel ersetzen.
Der idyllische Landkreis Sarasota an Floridas Westküste ist derzeit gleich zweimal in den US-Schlagzeilen vertreten. Zum einen müssen die am 7. November im Rahmen der Wahlen zum US-Repräsentantenhaus abgegebenen Stimmen dort neu ausgezählt werden, zum anderen gehört Sarasota zu den ersten Kommunen in den USA, die elektronische Wahlmaschinen nach einem Bürgerentscheid wieder durch konventionelle Wahlzettel ersetzen. Weltweit bekannt wurde Sarasota allerdings schon früher: Am 11. September 2001 hielt sich Präsident George W. Bush gerade in einer Grundschule der Stadt zu einem Pressetermin auf, als die Flugzeuge in die Türme des New Yorker World Trade Centers crashten.
Das Rennen um den Einzug ins US-Repräsentantenhaus konnten in Sarasota County (U.S. House District 13) bislang weder der Republikaner Vern Buchanan noch seine demokratische Konkurrentin Christine Jennings für sich entscheiden. Zwar führte Buchanan nach erster Zählung mit weniger als 400 Stimmen, doch sind aus bislang ungeklärten Gründen mehr als 18.000 der insgesamt 141.000 in dem Landkreis abgegebenen Stimmen verschwunden. Diese Zahl wurde ermittelt, weil bei den parallel stattfindenden Senats- und Gouverneurs-Wahlen deutlich mehr Bürger votierten. Vermutet wird, dass die eingesetzten Touch-Screen-Wahlcomputer (Direct Recording Electronic, DRE) jede achte abgegebene House-Stimme ins virtuelle Nirwana geschickt haben.
Publik wurde dies allerdings erst, nachdem die bei solch knappen Wahlausgängen in Florida vorgeschriebene Nachzählung anberaumt wurde. Nach Angaben des IT-Experten und Wahlmaschinen-Kritikers Bruce Schneier fehlen in Sarasota County insbesondere dort Stimmen, wo Jennings favorisiert worden war. Beim sogenannten "Early Voting", das Bürgern die Möglichkeit einräumt, Stimmen bereits rund zwei Wochen vor dem eigentlichen Urnengang abzugeben, hatte sich in Florida bereits gezeigt, dass Wahlmaschinen auffallend häufig Stimmen, die eigentlich für demokratische Kandidaten abgegeben wurden, den republikanischen Kontrahenten zuordnen wollten.
Eine maschinelle Nachzählung der registrierten Stimmen ergab bis zum gestrigen Mittwoch jedoch nur marginale Veränderungen des vorläufigen Endergebnisses. Am heutigen Donnerstag sollen die Ergebnisse der einzelnen Wahlmaschinen noch einmal per Hand addiert werden. Für die verloren gegangenen Stimmen dürfte es bei dieser Wahl indes keine Rettung mehr geben. Langfristig wird sich in Sarasota aber doch etwas ändern: Im Rahmen einer Petition sprachen sich bei der Wahl am 7. November 55 Prozent der Bürger für die Wiedereinführung konventioneller Wahlzettel aus. Diesem Volksbegehren will die zuständige Wahlleiterin Kathy Dent nun entsprechen. Dent kündigte an, bis zur nächsten Präsidentschaftswahl im Jahr 2008 für 3,7 Millionen US-Dollar ein System anschaffen zu wollen, bei dem die Wahlzettel eingescannt werden. Die für 4,7 Millionen US-Dollar angeschafften Touch-Screen-Geräte haben in Sarasota ausgedient.
Zum Thema E-Voting siehe auch:
- "Eine neue Situation", E-Voting in Deutschland nach dem Wahlmaschinen-Hack , Interview mit Professor Dieter Richter von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, c't 24/06, S. 72