Wall Street Journal: Strukturelle Qualitätsmängel bei Boeing-Zulieferer

Das Wall Street Journal berichtet von gravierenden Qualitätsproblemen bei Spirit Aerosystems, das unter anderem die Flugzeugrümpfe der Boeing 737 fertigt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 65 Kommentare lesen
Herausgerissene Verkleidung aus Boeing 737 Max 9

(Bild: NTSB)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Holger Bleich

Nachdem ein Flugzeug des Typs Boeing 737 Max 9 am 5. Januar kurz nach dem Start ein Rumpfteil verloren hatte, kommen nun immer mehr Details über Probleme bei Zulieferern des US-amerikanischen Herstellers ans Licht. In einem brisanten Artikel berichtet das Wall Street Journal (WSJ) von den Zuständen bei Spirit Aerosystems. Das Unternehmen aus Wichita in Kansas liefert beispielsweise die Rümpfe für die 737 Max zu, so stammt der Rumpf der verunglückten Maschine aus Wichita. Auch Airbus lässt bei Spirit Flugzeugrümpfe fertigen.

Spirit gehörte bis 2005 zum Boeing-Konzern, wurde dann aus Kostengründen an eine Private-Equity-Firma verkauft und zu einer AG umgeformt. Das 2020 verhängte Betriebsverbot für die 737 Max 8 aufgrund zweier Abstürze sowie die Covid-19-Pandemie habe das Unternehmen in Schieflage gebracht und zum Abbau tausender Stellen geführt, berichtet das WSJ. Dies wiederum habe eine personelle Unterbesetzung bedeutet, als die Nachfrage wieder anzog.

Als die Produktion wieder hochgefahren werden musste, habe Spirit nicht nur weniger Mitarbeiter vor Ort gehabt, sondern auch jahrelanges Know-how verloren. Es habe weniger erfahrene Mechaniker gegeben, aber auch weniger Experten, die die Qualität ihrer Arbeit überprüfen konnten. Aber bereits zuvor hätten Spirit und Boeing jahrelang um Kosten, Qualität und das Produktionstempo gestritten. Boeings Forderungen nach niedrigeren Preisen hätten dazu geführt, dass Spirit knapp bei Kasse sei, während die Manager in Panik gerieten, weil sie immer anspruchsvollere Fristen einhalten mussten.

Das WSJ zitiert einige derzeitige und ehemalige Beschäftigte. Deren Berichten zufolge müssen sich die Spirit-Angestellten "beeilen, um unrealistische Quoten zu erfüllen". Das Melden von Qualitätsmängeln sei unerwünscht. "Es ist bei Spirit bekannt, dass man versetzt wird, wenn man zu viel Lärm macht und zu viel Ärger verursacht", sagte demnach Joshua Dean, ein ehemaliger Qualitätsprüfer von Spirit. Er sei gefeuert worden, nachdem er auf falsch gebohrte Löcher in Flugzeugrümpfen hingewiesen hätte.

Spirit Aerosystems fertigt Flugzeugrümpfe für Boeing und Airbus.

(Bild: Spirit Aerosystems)

Das WSJ zitiert auch Cornell Beard, den Präsidenten der International Association of Machinists and Aerospace Workers, die die Arbeiter im Spirit-Werk in Wichita vertritt, mit den Worten: "Wir haben Flugzeuge auf der ganzen Welt, die Probleme haben, die niemand gefunden hat, weil Spirit die Mitarbeiter unter Druck gesetzt hat, die Arbeit so schnell zu erledigen."

Am 12. Januar hatte die US-amerikanische Luftfahrbehörde FAA mitgeteilt, die Produktionsbedingungen bei Boeing im Zusammenhang mit dem Beinahe-Unglück grundsätzlicher kontrollieren zu wollen. 171 Flugzeuge des Modells 737 Max 9 sollen weiter am Boden bleiben. Außerdem will die FAA mit Boeing und seinen Zulieferern ein Audit durchführen, also gemeinsam mit ihnen überprüfen, ob Produktionsverfahren und Qualitätskontrollen so eingehalten werden, wie sie von der FAA genehmigt wurden.

Momentan untersucht die US-Behörde für Transportsicherheit NTSB die verunglückte Maschine. In einer Pressemitteilung von Spirit heißt es: "Seit dem Vorfall mit Alaska Airlines Flug 1282 am 5. Januar arbeitet Spirit eng mit seinem Kunden zusammen. Ein Spirit-Team unterstützt nun direkt die Ermittlungen der NTSB. Als Unternehmen konzentrieren wir uns weiterhin auf die Qualität jeder Flugzeugstruktur, die unsere Einrichtungen verlässt."

(hob)