Warten auf Long Term Evolution
Die Zukunft im Mobilfunk lässt noch auf sich warten. Während die LTE-Technik schon in den Startlöchern steht, fehlen noch Frequenzbänder, Endgeräte und Glasfaserleitungen.
An einem strahlenden Sommertag Ende August hatte T-Mobile Austria eine Journalistenschar in die Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck gelotst. T-Mobile und der chinesische Netz-Zulieferer Huawei präsentierten das nach eigenen Angaben größte LTE-Netz der Welt. LTE steht für die zukünftige Mobilfunktechnik Long Term Evolution. Der UMTS-Nachfolger soll mit hohen Datenraten bis maximal 300 MBit/s und kurzen Latenzzeiten von weniger als 50 ms auch dem Festnetz bei der Versorgung von Privathaushalten und kleinen Unternehmen in Österreich den Rang ablaufen.
In Bonn hatte T-Mobile die Fähigkeiten von LTE bereits demonstriert und zwei LTE-Basisstationen installiert, die bis zu 150 MBit/s übertragen können. In Innsbruck stehen nun seit Juni 20 Stationen mit je drei Sektoren, also insgesamt 60 Funkzellen. Die Betreiber T-Mobile und Huawei betonten, man verwende bereits kommerziell verfügbare Netztechnik. Im Innsbrucker LTE-Netz will man etwa das Verhalten des Netzes bei der Versorgung von sich bewegenden Teilnehmern und beim unterbrechungsfreien Zellwechsel (Handover) beobachten.
30 MBit/s unterwegs
Bei einer Testfahrt durch Innsbruck demonstrierte T-Mobile unter anderem Videokonferenzen zwischen mobilen Teilnehmern und die parallele Übertragung mehrerer HD-Videostreams. Bei eigenen Tests konnten wir bis zu 35 MBit/s empfangen und maximal 32 MBit/s versenden. Die Latenzzeit zu einem Wiener Server betrug rund 21 ms. Im kommerziellen Ausbau sollen Kunden im Schnitt 30 bis 40 MBit/s übertragen können, auch wenn noch andere Nutzer in der gleichen Zelle aktiv sind.
Für die Innsbrucker LTE-Stationen nutzten die Betreiber vorhandene UMTS-Standorte. Das Test-Netz funkt im 2,6-GHz-Band mit 20 MHz breiten Kanälen. Die flexible LTE-Technik kann – zu Lasten der Datenrate – auch schmalere Kanäle nutzen [1]. Die LTE-Netzhardware ist zwar fertig, die Endgeräte sehen jedoch handgestrickt aus. Außerdem verbrauchen die unhandlichen Quader noch zu viel Strom. An Equipment für die Jackentasche wird gearbeitet.
Auch fehlen noch einige Standards: So ist noch nicht entschieden, welcher Weg fĂĽr Sprachverbindungen ĂĽber LTE-Netze beschritten werden soll. Geplant war das paketorientierte IMS (IP Multimedia Subsystem), doch wollen die Netzbetreiber auf leitungsorientierte Sprachverbindungen nicht verzichten. SchlieĂźlich wollen sie ihre GSM- und UMTS-Netze auf absehbare Zeit parallel zu LTE betreiben.
Daher hat sich T-Mobile mit verschiedenen Herstellern zum VoLGA-Forum (Voice over LTE via Generic Access) zusammengeschlossen. Dessen Ziel ist, Dienste wie Sprache und SMS auch für LTE-Endgeräte nutzbar zu machen. Probleme bereitet etwa die nahtlose Übergabe von Gesprächen zwischen LTE- , 2G- und 3G-Netzen; gleichzeitig soll VoLGA kompatibel zu IMS sein. An einem Standard wird zurzeit gearbeitet.
Der kleinste T-Mobile-Konkurrent in Österreich „3“ hat unterdessen damit begonnen, sein Netz mit LTE-fähiger Technik auszustatten. Für den echten LTE-Betrieb soll dann nur ein Software-Update erforderlich sein. Doch müssen auch die Datenverbindungen zu den Basisstationen (Backhaul) aufgerüstet und – je nach Frequenzband – neue Antennen installiert werden.
Der Backhaul, die Datenanbindung der Basisstationen, gehört für T-Mobile Austria zu den noch zu lösenden Problemen: Die Kosten dürfen nicht linear mit der Datenmenge steigen – Flatrate-Tarife sind in Österreich noch selten und kostenintensiv –, sonst wird das Endprodukt zu teuer. Das mobile Gigabyte ist am heiß umkämpften österreichischen Markt dagegen schon für weniger als einen Euro zu haben. Wenn sich die Übertragungsraten mit LTE verzehnfachen, werden auch die Backhaul-Datenmengen in die Höhe schnellen – nicht aber die Zahlungsbereitschaft der Mobilfunk-Kunden. Für den LTE-Test von T-Mobile stellen die Innsbrucker Kommunalbetriebe die notwendigen Glasfaserleitungen bereit.
Frequenzpolitik
Das größte Hindernis für künftige LTE-Netze sind die fehlenden Lizenzen für die Funkbänder. Die vom Innsbrucker Testnetz genutzten 20-MHz-Kanäle im 2,6-GHz-Band stehen nur befristet für Testzwecke zur Verfügung. Mit ihnen lassen sich nur Innenräume und dicht besiedelte Gebiete versorgen; der maximale Zellradius beträgt nur 500 bis 1000 Meter. Flächenversorgung wäre damit kaum finanzierbar.
Für ländliche Gebiete hoffen die Netzbetreiber auf die „Digitale Dividende“ – jene Bänder um 800 MHz, die durch die Abschaltung des analogen Fernsehens frei werden. Damit hätte man auch in Abständen bis fünf Kilometer von der Basisstation noch Kontakt zum Netz. Besonders begehrt sind auch die für GSM genutzten Bänder um 900 und 1800 MHz. Mit Zellradien von bis zu zwei Kilometern in städtischen Siedlungsräumen bräuchte man deutlich weniger Stationen wie im 2,6 GHz-Band. Zudem könnte man die bestehenden GSM-Standorte weiter verwenden.
Doch laufen die GSM-Frequenzrechte noch einige Jahre, in Österreich bis 2015, in Deutschland je nach Netz bis 2016. Die Netzbetreiber, aber auch Behörden und die EU drängen auf eine baldige Umwidmung („Refarming“) der GSM-Frequenzen, wonach die Bänder unabhängig von der Funktechnik genutzt werden dürfen. Eine Entscheidung steht noch aus.
In einem ist sich die Branche aber einig: Es soll schnell gehen. Anders als beim UMTS-Start, wo zunächst die Frequenzbänder zu imposanten Preisen ersteigert wurden, die Technologie aber noch auf sich warten ließ, ist die LTE-Technik – zumindest netzseitig – heute schon auf der Zielgeraden, während die politischen Entscheidungen über die Frequenzvergabe noch ausstehen.
[1] Rudolf Opitz, Evolution der Netze, Die Zukunft des mobilen Surfens, www.heise.de/mobil/artikel/140789 (rop)