Weißes Haus ist gegen Reformen bei Spionage

Das Weiße Haus lehnt eine Reform des Spionagerechts ab. Damit würde es auch weiterhin keinen Schutz für Ausländer geben. Teile eines zentralen Gesetzes laufen zum Jahresende aus, das Weiße Haus wünscht laut einem Bericht die unveränderte Verlängerung.

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Weißes Haus

(Bild: dpa, Martial Trezzini)

Lesezeit: 5 Min.
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Das Weiße Haus wünscht keine Reform des US-Spionagerechts. Das berichtet Reuters unter Berufung auf einen anonymen Insider. Damit ist selbst ein minimaler Schutz der Privatsphäre von Nicht-US-Bürgern unwahrscheinlich geworden. Zwar haben Abgeordnete beider Parteien Reformen gefordert. Aber bei Widerstand aus dem Weißen Haus dürfte es für sie schwierig werden, genügend Mitstreiter zu finden. Nichtregierungsorganisationen haben keine Hoffnung auf einschneidende Änderungen, kämpfen aber für zumindest kleine Verbesserungen.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

"Die Regierung hätte gerne eine unveränderte Verlängerung, weil sie glauben, dass diese Befugnisse nützlich sind. Aber das sollte nicht der einzige Maßstab sein", sagte Nathan White von der international tätigen NGO Access Now gegenüber heise online, "Diese Befugnisse greifen in die Rechte aller Menschen ein, egal wo sie leben. Die Vereinigten Staaten sollten die Privatsphäre aller Menschen anerkennen und ihre Menschenrechte schützen." Zudem würde eine unveränderte Verlängerung die Privacy-Shield-Vereinbarung mit der EU gefährden, die für US-Unternehmen sehr wertvoll sei. Im Weißen Haus war Mittwochnachmittag niemand für eine Stellungnahme erreichbar.

Im Zentrum der Debatte steht Abschnitt 702 des FISA (Foreign Intelligence Service Act). Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1978 und regelt die im Inland durchgeführte Überwachung. Ursprünglich sollte es nur auf "ausländische Mächte" und deren "Agenten" im Inland abzielen. Inzwischen ist die Anwendung wesentlich breiter, und es werden laufend auch US-Bürger überwacht. Die NSA greift an den Backbones den gesamten Internetverkehr ab ("Upstream"), zudem holt sie sich von den großen Diensteanbietern direkt Daten ("Prism").

2001 wurden die FISA-Befugnisse durch das USA Patriot Act wesentlich erweitert, es folgten das Protect America Act 2007 und das FISA Amendments Act 2008. Teile des Gesetzes, darunter Abschnitt 702, wurden befristet beschlossen, nämlich bis Ende 2017. Gegner des Überwachungsstaates begreifen dies als Chance, Änderungen zu bewirken.

Amie Stepanovich von Access Now hat im Dezember eine eingehende Analyse des Abschnitt 702 veröffentlicht und dabei Reformforderungen zusammengefasst. "Der einzige Weg einer echten Reparatur wäre, [Abschnitt 702] auslaufen zu lassen", hielt Stepanovich fest. "Doch die einfache Wahrheit ist, dass der US Congress das wahrscheinlich nicht tun wird." Daher hat sie kleinere Ziele ausgegeben: Derzeit oder früher bestehende Sicherheitsschranken sollten Gesetzeskraft bekommen, einige neue Grenzen neu aufgenommen werden.

Amie Stepanovich, Juristin bei Access Now

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Dem FISA fehlt für zentrale Begriffe wie "targeting" (etwa: ins Visier nehmen) oder die berühmten "Selektoren" jegliche Definition. Die Geheimdienste können diese Begriffe daher sehr frei auslegen. Access Now fordert, die im Gesetz gebrauchten Begriffe auch dort zu definieren.

Bisher nur in einem Präsidentenerlass von Barack Obama festgelegte Einschränkungen sollten ebenfalls ins neue Gesetz einfließen. Andernfalls könnte ein anderer Präsident sie jederzeit aufheben. Dazu gehört etwa die Vorgabe, FISA-Befugnisse nicht dazu zu nutzen, US-Firmen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. In dem Erlass erkannte Obama erstmals an, dass auch Ausländer ein Interesse an Privatsphäre haben. Dies, so Stepanovich, solle als Recht anerkannt werden.

Zudem sollten die bei verschiedenen Geheimdiensten unterschiedlich gehandhabten Pseudonymisierungen von Daten Unbescholtener vereinheitlicht und im Gesetz verankert werden. Und die einst bestehende Beschränkung auf ausländische Mächte und deren Agenten als Zielpersonen der Überwachung solle Vorschrift werden.

Access Now fordert, das Abhören und Aufzeichnen zu beschränken, nämlich auf die Kommunikation interessanter Zielpersonen selbst. Metadaten wären von dieser Einschränkung nicht betroffen. Die Ausrede, dass eine Trennung in Kommunikationsinhalte und Metadaten bei der vollumfänglichen Datensammlung am Backbone unmöglich sei, lässt Stepanovich nicht gelten.

Mehr Infos

Internationales Menschenrecht sieht vor, dass Überwachung sowohl notwendig als auch verhältnismäßig sein muss. Dem haben sich auch die USA durch Staatsverträge verpflichtet. "Unglücklicherweise haben die USA nie anerkannt, dass das auch für außerhalb der USA lebende Ausländer gilt", beklagt Stepanovich. Sie fordert daher, dass ein erneuert Abschnitt 702 auch deren Rechte anerkennt.

Die Datensammlung solle sich hinfort auf den Kampf gegen ausdrücklich angeführte Bedrohungen beschränken, und die für unverschlüsselte Daten geltenden maximalen Speicherfristen sollten auch für verschlüsselte Daten sowie Daten mit "geheimer Bedeutung" gelten. Gleichzeitig müsse es Grenzen dabei geben, welche US-Geheimdienste und welche ausländischen Dienste wann auf welche von den USA gesammelten Überwachungsdaten zugreifen dürfen.

Das geheim tagende Gericht FISC hat zwar ein Logo, doch verschweigt es den Namen des Gerichts.

Ein geheim tagendes Gerichts namens FISC (Foreign Intelligence Surveillance Court) genehmigt wie am Fließband Spionage-Projekte, darunter auch die berühmten Programme PRISM and UPSTREAM. Fast alle FISC-Entscheidungen bleiben geheim.

Mit dem Gesetz USA Freedom Act beauftragte der Gesetzgeber den Justizminister im Juni 2015, wichtige oder neuartige FISC-Entscheidungen zu veröffentlichen. Das sollte der Öffentlichkeit etwas Einblick in den Überwachungsstaat gewähren. Das Justizministerium weigert sich aber, Gerichtsentscheidungen von vor Juni 2015 zu veröffentlichen. Und sogar die Kriterien, nach denen der Justizminister beurteilt, ob eine FISC-Entscheidung "wichtig" oder "neuartig" ist, sind geheim.

Beide Lücken müssten geschlossen werden, fordert Access Now. Überhaupt solle die US-Regierung mehr Dokumente veröffentlichen müssen, soweit es die Nationale Sicherheit zulasse. Die Regierung Barack Obamas habe zwar einige Dokumente freiwillig herausgegeben, aber in unzureichendem Ausmaß. Und ohne rechtliche Verpflichtung könnte die neue Regierung selbst das wieder einstellen. (ds)