Weltraumteleskop James Webb: Galaxienfunde rĂĽtteln angeblich am Standardmodell
Seit seiner Inbetriebnahme findet das James-Webb-Weltraumteleskop ungewöhnlich helle Galaxien im frühen Kosmos. Nun soll es eine Erklärung geben.
Die Gestalt der vom Weltraumteleskop James Webb im frühen Universum entdeckten Galaxien widerspricht den Vorhersagen des Standardmodells der Kosmologie und weist stattdessen auf eine umstrittene alternative Theorie hin. Das jedenfalls behaupten vier Forscher aus den USA und Italien in einem jetzt veröffentlichten Fachartikel. Wie Stacy McGaugh von der Case Western Reserve University im US-Bundesstaat Ohio erklärt, sind die von dem hochmodernen Weltraumteleskop entdeckten Galaxien einfach viel zu früh viel zu hell und viel zu massiv. Das spreche dafür, dass die Bildung von großen Strukturen im frühen Kosmos besser durch die sogenannte Modifizierte Newtonsche Dynamik (MOND) erklärt werden könnte.
Keine Dunkle Materie nötig
Wie die Gruppe erläutert, sollten sich die ersten Galaxien laut dem gängigen Standardmodell kontinuierlich gebildet haben, aus kleineren Strukturen wären dann langsam größere und schließlich Galaxien geworden. Das sei aber nicht das, was mit den immer besser gewordenen Instrumenten beobachtet wurde, zuletzt mit dem besonders sensiblen Weltraumteleskop James Webb. Die damit entdeckten viel helleren und massiveren Galaxien würden eher zu den Vorhersagen der MOND sprechen, laut der sich Galaxien sehr rasch gebildet haben. Die Theorie kommt dabei ohne die mysteriöse Dunkle Materie aus.
McCaugh gibt sich sicher, dass seine Gruppe mit ihrer These Recht behalten wird. Seine Universität zitiert ihn mit den Worten, "ich habe es euch ja gesagt". Zwar sei ihm beigebracht worden, dass solche Worte unhöflich wären, aber darum gehe es doch bei der wissenschaftlichen Methode: Vorhersagen treffen und dann prüfen, welche stimmen. Ob die jetzt in The Astrophysical Journal veröffentlichte Forschungsarbeit aber tatsächlich überzeugt, muss sich erst noch zeigen. Immer wieder wurden zuletzt angebliche Funde oder Daten vorgestellt, die zentralen Theorien der Physik widersprechen, davon ist aber bislang wenig geblieben. Auch auf Basis der MOND ist es nicht der erste Versuch.
Das Weltraumteleskop James Webb (JWST) blickt seit mehr als zwei Jahren am Lagrange-Punkt L2 abgewandt von Sonne, Erde und Mond ins All, sodass deren Wärmestrahlung das Infrarotteleskop nicht stört. Fast unmittelbar nach seiner Inbetriebnahme hat es angefangen, immer mehr Kandidaten für unerwartet weit entwickelte Galaxien zu entdecken, die viel früher nach dem Urknall existierten, als es für möglich gehalten wurde. Schon länger wird deshalb darauf verwiesen, dass die bisherigen theoretischen Grundlagen mindestens nicht auszureichen scheinen. Sollte sich der Erklärungsversuch von McGaugh und seinem Team bestätigen, könnte das weitreichende Folgen für die Physik haben.
(mho)